OECD-Papier: Einkommensungleichheit beeinträchtigt das Wirtschaftswachstum

Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst

Paris/Berlin, 9. Dezember 2014. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist heute in vielen OECD-Ländern so groß wie seit 30 Jahren nicht mehr. Auch in Deutschland hat sich der Abstand zwischen Arm und Reich seit Mitte der 80er Jahre erhöht: Wie aus einem OECD-Arbeitspapier hervorgeht, verdienten die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung damals fünf Mal so viel wie die ärmsten zehn Prozent. Heute liegt das Verhältnis bei 7:1.

Dem Papier zufolge hatte wachsende Einkommensungleichheit einen merklich negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung. In Deutschland zum Beispiel ist das inflationsbereinigte Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zwischen 1990 und 2010 um etwa 26 Prozent gewachsen. Nach Berechnungen der Autoren hätte das Wachstum bei gleichbleibender Einkommensungleichheit fast sechs Prozentpunkte höher ausfallen können. Noch stärker ist der Effekt in Neuseeland oder Mexiko: Hier kostete die wachsende Ungleichheit die Volkswirtschaften mehr als zehn Prozentpunkte ihres BIP-Wachstums.

Den größten negativen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum hat nicht die Ungleichheit am oberen Ende. Für den ökonomischen Effekt ist vor allem das immer stärkere Auseinanderdriften der ärmsten 40 Prozent vom bessergestellten Rest der Bevölkerung verantwortlich. Ärmere Gruppen investieren in der Regel weniger in Bildung, und das wiederum beeinflusst die soziale Mobilität und die Ausbildung von Kompetenzen im jeweiligen Land.

“Unsere Analyse zeigt, dass wir nur auf starkes und dauerhaftes Wachstum zählen können, wenn wir der hohen und weiter wachsenden Ungleichheit etwas entgegensetzen“, sagte OECD General-Sekretär Angel Gurría. „Der Kampf gegen Ungleichheit muss in das Zentrum der politischen Debatte rücken. Wachsen und gedeihen werden vor allem jene Länder, die alles daran setzen, dass ihre Bürger von klein auf gleiche Chancen haben.“

Arme erlangen weniger Bildung

Die Studie liefert Belege dafür, dass steigende Ungleichheit das Wirtschaftswachstum hauptsächlich dadurch bremst, dass Kinder aus sozial schwächeren Familien weniger Bildungschancen haben. Im OECD-Durchschnitt liegen die Bildungsleistungen von Kindern, deren Eltern geringgebildet sind, unter denen von Eltern mit mittlerer oder hoher formaler Bildung. In Ländern, in denen darüber hinaus die Einkommen ungleicher verteilt sind, verschlechtern sich die Ergebnisse dieser Kinder wesentlich. Für die Bildungsleistungen von Kindern mittelgut oder gut gebildeter Eltern spielt steigende Einkommensungleichheit dagegen kaum eine Rolle.

Ein ähnliches Phänomen lässt sich bei der Bildungsbeteiligung beobachten, die bei Menschen mit sozial schwachem Hintergrund abnimmt – und zwar noch einmal erheblich stärker in Ländern mit höherer Ungleichheit. Generell betrifft diese „Investitionslücke in Bildung“ weit mehr als nur die ärmsten Mitglieder einer Gesellschaft. Auch die untere Mittelklasse zeigt ähnliche Muster. Es ist deshalb nicht genug, allein jene Schichten der Bevölkerung zu fördern, die am schlechtesten gestellt sind. Mindestens ebenso wichtig, wie monetäre Unterstützung ist ein verbesserter Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und Weiterbildung sowie zu Gesundheitsdienstleistungen.

In diesem Zusammenhang weist die Studie darauf hin, dass Umverteilung mittels Steuern und Transfers nicht zwangsläufig wachstumsschädlich ist, solange entsprechende Maßnahmen zielgenau angewandt werden. Eine solche Verteilungspolitik müsse sich vor allem auf Familien mit Kindern sowie auf junge Menschen konzentrieren und deren Lernchancen verbessern.

Download: Trends in Income inequality and its impact on economic growth

OECD-Bericht zur Auslandsbestechung fordert schärfere Straf- und Kontrollmechanismen

Auf internationaler Ebene werden die meisten Bestechungsgelder von großen Unternehmen gezahlt – in der Regel mit dem Wissen der Geschäftsleitung. Das geht aus dem ersten OECD-Bericht zur Auslandsbestechung, dem “Foreign Bribery Report”, hervor. Der Bericht wertet mehr als 400 Fälle aus, in denen seit Inkrafttreten des OECD Übereinkommens gegen die Bestechung ausländischer Amtsträger 1999 ermittelt wurde.

In diesen Fällen machen Bestechungsgelder rund elf Prozent der gesamten Transaktionskosten aus. Im Durchschnitt flossen knapp 14 Millionen US-Dollar pro Bestechungsvorgang. Der Bericht kommt allerdings zu dem Schluss, dass selbst diese Zahlen nur die Spitze des Eisberges darstellen. Das reale Ausmaß internationaler Korruption sei wegen der komplexen Strukturen korrupter Geschäfte schwer zu erfassen.

Die Adressaten von Auslandsbestechung sind in der Regel eher entwickelte Volkswirtschaften als Entwicklungsländer. Das Ziel der Bestechung ist es, Verträge mit staatseigenen oder staatlich gelenkten Unternehmen zu schließen. Die meisten Zahler und Empfänger von Bestechungsgeldern stammen aus wohlhabenden Staaten.

In fast zwei Dritteln der Fälle konzentriert sich die Bestechung auf nur vier Sektoren: die Rohstoffindustrie (19%), das Baugewerbe (15%), Verkehr und Lagerung (15%) und Kommunikation (10%). Angestellte staatseigener Betriebe führen die Liste derer an, denen Bestechungsgelder versprochen oder gezahlt wurden (27%). Daneben stehen Zollbeamte sowie Mitarbeiter von Gesundheits- und Verteidigungsbehörden häufig auf Bestechungslisten. In fünf Prozent der Fälle waren aber auch Staats- und Regierungschefs, beziehungsweise Minister das Ziel der Bestechung – sie bezogen sogar elf Prozent aller illegalen Zahlungen.

Hintergrund

Der Bericht wertet 427 Fälle von Auslandsbestechung aus, in die Unternehmen oder Einzelpersonen der 41 Länder verwickelt waren, die das OECD Übereinkommen gegen die Bestechung ausländischer Amtsträger unterzeichnet haben. Die Fälle gehen zurück bis Februar 1999, dem Zeitpunkt, zu dem das Übereinkommen in Kraft trat, und reichen bis zum Juni 2014.‌

Download: http://www.oecd.org/berlin/publikationen/oecd-foreign-bribery-report.htm
Event in Paris: http://www.oecd.org/daf/anti-bribery/launch-foreign-bribery-report.htm
CleanGovBiz Initiative http://www.oecd.org/cleangovbiz/

Inclusive Business Action Network startet in Berlin

Launch des Inclusive Business Action Networks (IBAN)

Inclusive Business-Ansätze weltweit stärker verankern

Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung vom 18. bis 20. November 2014 in Berlin geht das Inclusive Business Action Network (IBAN) offiziell an den Start. Ziel des Netzwerks ist, Inclusive Business-Ansätze weltweit stärker zu verankern. Diese Ansätze binden die rund vier Milliarden Menschen am unteren Ende der Einkommenspyramide (Base of the Pyramid – BoP), die in der Regel keinen Zugang zu lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen haben, als Kunden, Produzenten oder Mitarbeiter ein und tragen so dazu bei, deren Lebensbedingungen zu verbessern.

Das IBAN verbindet Unternehmen, die Inclusive Business-Ansätze nutzen, mit multilateralen Institutionen, Initiativen, Netzwerken und Investoren. Zentrales Element ist dabei die unabhängige IBAN-Plattform: Über sie haben die Akteure des Netzwerks Zugang zu umfassenden Informationen, Services und Schulungen – und den direkten Draht zu potenziellen Partnern. Das IBAN setzt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) um.

An der Auftaktveranstaltung nehmen zahlreiche Vertreter von Unternehmen, aber auch von internationalen Organisationen wie der UN und internationalen Entwicklungsbanken teil, ebenso wie Investoren und Vertreter aus internationaler Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Die Teilnehmer haben dort die Gelegenheit, Themenschwerpunkte zu setzen, Best-Practice-Beispiele kennen zu lernen und sich mit anderen Akteuren zu vernetzen. Die Eröffnungsrede am Donnerstag hält der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Thomas Silberhorn. Ebenfalls zugegen sein werden Preisträger renommierter internationaler Wettbewerbe wie der G20 Challenge on Inclusive Business Innovation, des Seed Awards, des Economic Inclusion Ecosystem Fund sowie des Women in Business Awards 2014. Quelle: GIZ.


Kontakt: Arne H. Theissen, ib-action-network @ giz.de

Ausbeutung von Textilarbeiterinnen in Bangladesch ist weiter in Mode

Hamburg, 05.11.2014 | Das Eine Welt Netzwerk Hamburg sprach mit der Aktivistin und Forscherin Dr. Samina Luthfa über die aktuelle Situation der Textilarbeiterinnen und deren Zukunftsperspektive in Bangladesch. Die Lage der Textilarbeiterinnen in Bangladesch ist immer noch prekär. Internationaler Druck hilft und muss von NRO und Gewerkschaften verstetigt werden. Problem ist das Versagen des Staates und des Arbeitgeberverbandes.

Die Soziologin der Universität Dhaka ist auf Einladung des Entwicklungsforums Bangladesch e.V. http://www.entwicklungsforum-bangladesh.org in Deutschland, um die Arbeitsbedingungen der globalisierten Textilindustrie bekannt zu machen und um Verbündete im Kampf für verbindliche internationale Arbeits- und Sozialstandards zu gewinnen.


Wo ist der Staat, wenn Hilfe gebraucht wird? Fabrikeinsturz in Sabhar am 24. April 2013.
Foto: rijans
Flickr
https://www.flickr.com/people/40831205@N02

EWNW: Wir erinnern uns an die schockierenden Bilder im April 2013 vom Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Sabhar, einem Vorort von Dhaka. Funde belegen, dass dort Hersteller produzieren ließen, die auch in deutschen Läden Textilien anbieten. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der mehr als 1100 Getöteten und den 2500 Verletzten. Wie geht es diesen Menschen jetzt?

Samina Luthfa: Die Rehabilitierung der Verletzten war sehr schwierig gewesen. Es gibt nicht einmal eine vollständige Liste der Opfer. Der Staat zeigt überhaupt keine Verantwortung. Bereits am Tag der Katastrophe waren die staatlichen Stellen überfordert. Außer der örtlichen Feuerwehr und der Zivilverteidigung kamen keine geschulten Einsatzkräfte an die Unglücksstelle. Das Militär war da. Aber sie hatten keine geeigneten Geräte zur Bergung der Opfer. Tausende Menschen kamen spontan zur Hilfe, bargen Opfer, versorgten die Verletzten und räumten Trümmer. Niemand war dafür qualifiziert.

Hunderte Näherinnen verloren Gliedmaßen. Viele werden nie mehr arbeiten können. Überlebende und auch Helfende sind traumatisiert, bräuchten psychologische Behandlung, für die sie aber kein Geld haben. Sie gehen nicht zum Arzt, sondern kaufen Antidepressiva auf dem Markt. Vorgestern starb eine Arbeiterin an den Folgen eines nicht behandelten Leberrisses. Viele erhielten kein Geld, da sie vom Arzt nicht als verletzt deklariert wurden.

Die Opfer und Hinterbliebenen sollen angemessene Entschädigungszahlungen durch das Rana Plaza-Arrangement erhalten. Kommt das wirklich an?

Die vielen Hilfsgelder kommen in meisten Fällen nicht an. Zahlreiche meist neu gegründete NGOs haben Spendenmittel bekommen, aus dem Arrangement und viel auch von der Diaspora, aber das ist für die Opfer nicht transparent. Wir fragen uns, wo das Geld ist.

Am Tag nach dem Einsturz war ich mit meinem Forschungsteam auf dem ebenfalls einsturzgefährdeten Nebengebäude. Wir sahen, wie dicht die Stockwerke nebenan zusammengefaltet waren. Die Erinnerung an den Leichengestank kommt mir immer wieder hoch. Wir fanden herübergewehte Personalakten. Dort war die Anwesenheit der Näherinnen genau verzeichnet, sogar mit Datum der letzten Menstruation. Offenbar mussten alle Näherinnen bei Eintritt gleich ihre Kündigung unterschreiben, wobei der Arbeitgeber hinterher das Datum einsetzen kann. Wir haben die Unterlagen gesichert und den Behörden übergeben. Einige Unternehmen behaupten immer noch, keine Personallisten gehabt zu haben.

Ich traf einen 22-jährigen Freiwilligen, der die Identifizierung der Toten allein organsierte. Er ließ die Leichen im Schulhof nebenan stapeln und führte Angehörige hindurch. Er hat das großartig organisiert, aber niemand hilft ihm, diese traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten. Manche Angehörigen haben ihre Toten mitgenommen, viele Leichen wurden aber auch anonym bestattet. Ohne Totenschein gibt es aber keine Entschädigungszahlungen. Die für DNA-Analysen zuständige Stelle kommt mit der Identifizierung nicht hinterher. Noch immer werden ca. 112 Personen vermisst. Es wurden ca.300 identifizierte Leichen bestattet. Die Regierung zahlt jetzt für DNA-Analysen der Überreste. Sie leistet aber nicht annähernd, was ein Staat tun muss.

Wie hat sich die Lage in den Textilfabriken in Bangladesch seit Rana Plaza verbessert?

Die neuen internationalen Vereinbarungen sind der richtige Weg. Im weltweiten Textilmarkt wird die soziale Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette im Rahmen von von Corporate Social Responsibility (CSR) stärker in den Vordergrund gestellt. Die Industrie kann nur wachsen, wenn sie die Standards erfüllt. Die kleinen informellen Nähereien mit ihren prekären Zuständen werden vom Markt gedrängt werden.

Der Arbeitgeberverband Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association (BGMEA) wird seiner Verantwortung auch nicht gerecht. Der Verband bekämpft den Bangladesch Accord als imperialistische Einmischung in nationale Angelegenheiten. Die Arbeitgeber haben nicht verstanden, dass Sozialstandards zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen und ihrer Branche nützen würden.

Als die lokale Polizei und verantwortlichen Ingenieure am Tag vor der Katastrophe das Gebäude wegen der Risse in den Betonwänden sperren wollte, zwangen die Unternehmen die Angestellten zur Arbeit hinein. Begründung: Wer auch nur einen Tag krank ist, bekommt den Monatslohn nicht rechtzeitig. Sie haben keine Ersparnisse und andere soziale Absicherung, damit sie ihre laufenden Kosten abdecken können.

Die Näherinnen sind auf pünktliche Lohnzahlungen angewiesen, die sie bei einem Fehltag verloren hätten. Das Gebäude gehörte einem Politiker. Die Kontrollbehörden werden bestochen. Der Staat setzt sich bei uns nicht gegen die Industrie durch. Druck aus dem Ausland ist nötig.

Nach Rana Plaza wurden in Bangladesch 18 gefährdete Fabriken geschlossen. Beschäftigte der Textilindustrie dürfen sollen sich zukünftig in unabhängigen Gewerkschaften zusammenschließen und Lohnverhandlungen führen. Aber die Näherinnen sind unerfahren und scheu. Die Partizipatorische Action Komitee (Ersatzgewerkschaften) sind oft arbeitgeberfreundlich. Aber jetzt beim Streik bei der Tuba Gruppe im August wurde eine gelbe Gewerkschaft (nicht von der Textilfabrik) durch eine aktive neue Bewegung ersetzt, die mit einem Hungerstreik Erfolg hatte.

Außerdem wurde nach Rana Plaza beschlossen, den Mindestlohn zu erhöhen. Nun prüft eine Regierungskommission die geforderte Erhöhung auf 8.000 Taka (80 Euro). Die meisten erhalten den Mindestlohn, der 2010 nach monatelangen Protesten auf 3.000 Taka (knapp 30 Euro) erhöht worden ist. In einer wissenschaftlichen Studie der Universität Dhaka haben wir aber festgestellt, dass 39% der Befragten unter Mindestlohn bezahlt werden. Die Arbeitgeber haben zur untersten Lohngruppe der "Helper" jetzt noch den "Apprentice Helper" erfunden, für die bis zu sechs Monate lang kein gesetzlicher Lohn gezahlt werden muss.

Wir haben insgesamt 1013 Beschäftigte in allen 12 Branchen der BGMEA befragt. Etwa 60% gaben an, sich jetzt in den Fabriken sicher zu fühlen. Der Brandschutz wurde etwas verbessert. Viele Feuertreppen sind in schlechtem Zustand. Immer noch münden viele Fluchtwege in Lagerräumen, die meist zuerst Feuer fangen. Aber die vorher verbreitete Praxis, die Tore der Fabriken während der Schicht von außen zu verriegeln, wurde in Bangladesch abgeschafft. Bei den großen Fabriken spürt man also die Verbesserungen. Problem sind die kleinen teils informellen Saisonbetriebe

Die befragten Näherinnen klagten vor allem über Kopfschmerzen. Sie entstehen durch den Lärm, aber auch durch Schlafmangel. Das Arbeitspensum und die Körerhaltung dabei sind belastend. Die Masse der Näherinnen kommt sehr jung vom Land in die Industriebezirke. Neben den langen Schichten kostet auch der Feierabend dort Kraft. In den Unterkünften müssen sich mehr als 20 Frauen eine Toilette und eine Küche teilen. Einige Näherinnen könnten Vorarbeiterinnen werden, mehr Aufstiegschancen gibt es aber in dieser Industrie nicht, es gibt keine Fortbildung. Kaum jemand unter den Befragten war länger als sieben Jahre im Job. Ab Mitte 30 hält man das körperlich einfach nicht durch, auch wegen der Augenleiden.

Sie bilden in Dhaka Studierende in Soziologie aus. Was lernen sie?

Unsere Universität ist total überfüllt. Zu allen Veranstaltungen kommen mehr als 200 Studierende. Mit ihnen können wir natürlich solche große Befragungen umsetzen. Nach dem Einsturz der Rana Plaza sind viele Studierende mit mir zur Hilfe geeilt. Sie organisierten die Betreuung der Angehörigen, die oft aus ländlichen Gegenden anreisen mussten und logistische Hilfe brauchten, um zum Beispiel eine Duschgelegenheit zu finden. Manche helfen jetzt bei Behördengängen in Dhaka. Das war für die Studierenden eine praktische soziale Aufgabe. Es wurde in ein Buch mit Opferberichten erstellt. Es ist in bengalischer Sprache und wir suchen Mittel, es auf Englisch zu übersetzen.

Was erhoffen Sie sich von den NRO in Deutschland?

Erstens, dass wir Ideen über Gewerkschaftsbildung in Bangladesch austauschen.

Zweitens dass internationale NGOs ihre Arbeit in den verschiedenen Bereichen in Bangladesch mit den NGOs im Land koordinieren.

Drittens bekannt zu machen, dass die Regierung von Bangladesch ihre Aufgaben nicht erfüllt.

Das Interview führten Karsten Weitzenegger und Yannik Pein.

Hintergrund: Internationale Abkommen nach Rana Plaza

Das Rana Plaza-Arrangement

Das «Arrangement» ist ein Übereinkommen, welches die Entschädigung der Verletzten und der Opferfamilien des Rana Plaza Fabrikeinsturzes regelt. Das Übereinkommen wurde von der Clean Clothes Campaign http://www.cleanclothes.org mitinitiiert und wird, wie das Sicherheitsabkommen, von der ILO begleitet. Die bangladeschische Regierung, lokale sowie internationale Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen sowie die Textilfirmen haben das Arrangement unterzeichnet und sich damit verpflichtet, einen Beitrag an die Kompensation der Betroffenen zu leisten. Im Juni 2014 forderten Deutschland und sechs andere europäische Staaten alle Firmen mit Geschäftsbeziehungen zu Rana Plaza sowie die bangladeschische Regierung auf, einen substantiellen Beitrag an den Kompensationsfonds zu leisten. www.ranaplaza-arrangement.org

Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit in Bangladesch

Das Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit in Bangladesch von 2013 (http://www.unibangladeshaccord.org/?lang=de, http://bangladeshaccord.org) ist ein umfassendes und unabhängiges Abkommen, mit dessen Hilfe alle Bekleidungsfabriken in Bangladesch zu sicheren Arbeitsplätzen gemacht werden sollen. Das Abkommen wurde von bangladeschischen und internationalen Gewerkschaften zusammen mit anderen Arbeitnehmergruppierungen konzipiert. Es ist das einzige Abkommen, das von allen wesentlichen arbeitsrechtlichen Interessenvertretungen unterstützt und von über 160 internationalen Markenherstellern und Einzelhandelsunternehmen unterzeichnet wurde. Sie verpflichten sich über fünf Jahre zu Investitionen in sicherere Fabriken. Unter den deutschen Unterzeichnen sind Adidas, Aldi, Esprit, Kik, Lidl, Metro, Otto, Puma, Rewe, S.Oliver, Takko, Tchibo (http://bangladeshaccord.org/signatories/). Wer genau wen beliefert, bleibt aber unter Verschluss. Die Kampagne für Saubere Kleidung, Oxfam und das Südwind-Institut haben die Standards wiederholt als zu lax kritisiert.

Bündnis für Nachhaltige Textilien

Das Bündnis für Nachhaltige Textilien ist Zusammenschluss von bisher rund 30 deutschen Unternehmen und Organisationen soll die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Textilindustrie in Niedriglohnländern zu verbessern. Ziel sind neue ökologische Standards und ein besseres Leben für die Arbeiterinnen und Arbeiter der globalen Bekleidungsindustrie. Die Initiative wurde am 16. Oktober 2014 unter Federführung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegründet. http://www.bmz.de/textilbündnis

Mehr dazu: Kampagne für Saubere Kleidung http://www.saubere-kleidung.de

Berufliche Chancen durch pro-aktives Netzwerken

Aus meiner Sicht als Freiberufler bietet berufliches Netzwerken dreierlei Chancen: Kontakt haben, fachlich aktuell bleiben und am Markt bleiben.

Bei der Spinn.Bar Nord | SID Stammtisch Entwicklungspolitik Hamburg hatte ich am 3. November 2014 Gelegenheit, meine Sicht auf berufliche Chancen durch pro-aktives Netzwerken wie folgt vorzustellen.

Kontakt haben durch netzwerken

  • Interessante Menschen kennenlernen und Spaß dabei haben
  • Jobs und Aufträge wechseln, ein berufliches Netzwerk bleibt bestehen und wächst mit.
  • Kollegialer Austausch, sozusagen als Reflexions- und Selbsthilfegruppe gegen Frust und Burnout ist nötig.
  • In immer komplexer werdenden Kontexten das eigenen Agieren selbstkritisch reflektieren können braucht Austausch.

Tipps:

  • Nur online reicht nicht, persönlich ist entscheidend
  • Gemeinsame Zeit verbringen, reden, unterstützen.
  • Die anderen im Blick behalten und verbindlich sein.
  • Für Quer-/Wiedereinstieg besonders wichtig

Fachlich aktuell bleiben durch netzwerken

  • Kontakte halten über die aktuellen Trends auf dem Laufenden.
  • Wissen teilen und damit vermehren. Jeder weiß etwas, niemand weiß alles.
  • Fachlichen, sozialen, geistigen Horizont erweitern
  • Netzwerken stärkt und belegt eigene Teamfähigkeit, Kontaktfreudigkeit, Belastbarkeit und interkulturelle Sensibilität.

Tipps:

  • Mitdenken, Anteil nehmen, Fragen
  • Erst Geben, dann Nehmen
  • Selbst Mentoring und Coaching anbieten
  • Fortbildung dort machen, wo es die besten Kontakte bringt

Am Markt bleiben durch netzwerken

  • Die Zeiten der Lebensstellung sind vorbei. Rechtzeitige und zielgerichtete Insider-Informationen werden karriereentscheidend.
  • Kooperation ist die neue Konkurrenzfähigkeit: Arbeit auch mit konkurrierenden Partnern bringt allen Vorteile.
  • Das Netzwerk liefert Chancen und Ideen für neue Tätigkeiten. Zwei Drittel der Stellen in Deutschland werden nur über persönliche Kontakte besetzt. Etwa drei Viertel der Aufträge entstehen durch Empfehlungen.
  • Das Netzwerk zeigt, wie es hinter den Fassaden zugeht und ob eine solche Tätigkeit überhaupt in Frage kommt. Die Gefahr einer Fehlentscheidung wird für alle Beteiligten reduziert.

Tipps:

  • Präsent sein, Kontakt pflegen, sich nützlich machen, Intensität filtern.
  • Persönliche Beziehung und Vertrauen rechtzeitig schaffen, nicht erst bei einem Anlass starten.

https://twitter.com/weitzenegger/status/455418045897658368

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OECD-Bericht über Entwicklungszusammenarbeit 2014

Entwicklungszusammenarbeit Bericht 2014

Ressourcen für nachhaltige Entwicklung mobilisieren

Bis vor kurzem galten die Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) als wichtigste Quelle für die Entwicklungsfinanzierung. Es werden jedoch weit mehr Ressourcen notwendig sein, um einen umfassenderen Katalog von globalen Nachhaltigkeitszielen zu finanzieren. Zudem machen die ODA-Leistungen nur einen Teil der Leistungen aus, die im Dienst der Entwicklung stehen: Mit fast 135 Mrd. USD im Jahr 2012 stellten die ODA-Leistungen lediglich 28% der öffentlichen und privaten Gesamtleistungen der 29 Mitgliedsländer des OECD-Entwicklungsausschusses (DAC).

Die aktuelle Ausgabe des „Development Co-operation Report“ ist der zweite Teil einer Trilogie (2013 bis 2015), die sich vor allem der Frage widmet, wie Entwicklungshilfe in der nahen Zukunft, also ab 2015, aussehen kann. Dazu untersucht der Bericht, welche Finanzquellen Entwicklungsländer haben und macht Vorschläge, um den Klimawandel zu bekämpfen, Frieden und Sicherheit zu fördern und fairen und gleichberechtigten Handel zu schaffen.

Die Laufzeit der Millenniumsentwicklungsziele endet im Jahr 2015, obgleich viele Herausforderungen im Bereich Entwicklung weiterhin bestehen und neue hinzukommen. Die derzeit von der internationalen Staatengemeinschaft unter der Federführung der Generalversammlung der Vereinten Nationen diskutierten Ziele für die Zeit nach 2015 werden soziale, ökologische und wirtschaftliche Belange in einem einheitlichen Katalog von Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) einbeziehen.

Dieser Bericht über die Entwicklungszusammenarbeit (der zweite einer Trilogie, die den Zielen für die Zeit nach 2015 gewidmet ist) geht der Frage nach, was getan werden kann, um die Ressourcen zu mobilisieren, die zur Finanzierung der Erreichung dieser Ziele erforderlich sind?

Wie kann nachhaltige Entwicklung finanziert werden?

Bis vor kurzem galten die Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) als wichtigste Quelle für die Entwicklungsfinanzierung (Kapitel 1). Es werden jedoch weit mehr Ressourcen notwendig sein, um einen umfassenderen Katalog von globalen Nachhaltigkeitszielen zu finanzieren. Zudem machen die ODA-Leistungen nur einen Teil der Leistungen aus, die im Dienst der Entwicklung stehen: Mit fast 135 Mrd. US-$ im Jahr 2012 stellten die ODA-Leistungen lediglich 28% der öffentlichen und privaten Gesamtleistungen der 29 Mitgliedsländer des OECD-Entwicklungsausschusses (DAC). Insgesamt erhielten die Entwicklungsländer im Jahr 2012 474 Mrd. US-$ von den DAC-Mitgliedern, wozu ODA-Mittel wie auch „sonstige öffentliche Leistungen“ zählten, darunter von öffentlichen Stellen bereitgestellte Finanzmittel zu marktnahen Bedingungen und/oder mit kommerziellem Zweck (Kapitel 4), private Leistungen zu Marktbedingungen wie ausländische Direktinvestitionen (Kapitel 5) und private Zuschüsse von philanthropischen Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) (Kapitel 8 und 9). Dies spiegelt die wachsende Vielfalt der Finanzierungsoptionen wider, die den Entwicklungsländern zur Verfügung stehen – wobei es sich um zunehmend innovative Optionen handelt, die ein großes Potenzial für die Mobilisierung von noch mehr Finanzmitteln besitzen (Kapitel 6,11 und 15).

Der in diesem Bericht über die Entwicklungszusammenarbeit enthaltene Ideenreichtum zeugt von einer neuen Ära der Möglichkeiten in der Entwicklungsfinanzierung. Die Entwicklungsländer unterstützen sich gegenseitig durch die Süd-Süd-Zusammenarbeit (Kapitel 3). Stiftungen, direkte Beiträge (Kapitel 8) und soziale Unternehmen (Kapitel 16) bieten neue Optionen, und Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten bergen ein enormes Potenzial in sich. Allerdings stützen sich nicht alle dieser Finanzierungsarten auf dieselben Grundsätze wie die ODA – und auch nicht alle haben nachhaltige Entwicklung zum Ziel.

All dies erfordert eine kritische Überprüfung der Rolle der ODA im Vergleich zu anderen Ressourcen.

Neben den finanziellen Aspekten gibt es auch andere Gründe, die Rolle der Entwicklungszusammenarbeit im Kontext der Anstrengungen zur Erreichung einer nachhaltigen globalen Entwicklung zu prüfen:

  • Bei nachhaltiger Entwicklung geht es nicht mehr darum, dass der „Norden“ dem „Süden“ Entwicklungsleistungen gewährt, sondern um die Frage, ob Chancen, Verantwortung und Optionen ausgewogen verteilt sind.
  • Immer mehr Entwicklungsländer bringen ihre eigene Entwicklung voran und erbringen selbst Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit (Kapitel 2).
  • Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung sind immer stärker von Fortschritten bei der Lösung von „Problemen ohne Reisepass“ abhängig, die wie Krieg und Konflikte (Kapitel 19), Umwelt- und Klimafragen (Kapitel 18), ein unsicheres Finanzierungsumfeld, unfaire Handelsbedingungen (Kapitel 21) und Infektionskrankheiten Staatsgrenzen überschreiten. Es handelt sich dabei um Probleme, für deren Bewältigung die traditionellen Entwicklungskonzepte nicht vorgesehen sind (Kapitel 17).

Die Bewältigung dieser globalen Herausforderungen erfordert einen Beitrag aller Akteure – von denen jeder einzelne Verantwortung für individuelles und gemeinsames Handeln übernehmen muss.

ODA spielt nach wie vor eine Rolle

Im Kontext der zunehmenden Möglichkeiten und wachsenden Herausforderungen ist die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) nach wie vor unerlässlich für eine nachhaltige Entwicklung, insbesondere wenn sie strategisch und zielgenau eingesetzt wird, wie die folgenden Beispiele zeigen:

  • ODA kann entscheidende Finanzmittel und Unterstützung für die fragilen und am wenigsten entwickelten Länder bereitstellen, für die es schwierig ist, andere Ressourcen anzuziehen oder zu mobilisieren (Kapitel 19).
  • ODA kann eingesetzt werden, um Investitionen in risikoreichen Situationen attraktiv zu machen, indem die Risiken gestreut und geteilt sowie Anreize geschaffen werden (Kapitel 11, 12 und 15).
  • ODA kann den Ländern durch Kapazitätsaufbau und Austausch über empfehlenswerte Praktiken dabei helfen, ihre eigenen inländischen Ressourcen zu mobilisieren und zu verwalten (Kapitel 7 und 14).
  • ODA kann durch Politikreformen in Bereichen wie Investitionstätigkeit und Handel eine positive Entwicklung fördern und ein günstiges Investitionsumfeld schaffen (Kapitel 12 und 21).

Die Entwicklung wird zunehmend von innen gestützt werden

Die Entwicklungsländer nutzen zunehmend ihr eigenes Potenzial, um ihre Entwicklung voranzubringen und sich von der ODA-Abhängigkeit zu befreien, indem sie z.B.:

  • die Kapazität ihrer Steuersysteme entwickeln. In absoluten Zahlen stellen die Steuereinnahmen die ODA-Leistungen weit in den Schatten: In Afrika war das Gesamtsteueraufkommen 2012 zehnmal höher als das diesem Kontinent zur Verfügung gestellte ODA-Volumen (Kapitel 1, 7 und 14);
  • kreative Möglichkeiten finden, um sich die steigenden Rücküberweisungen von im Ausland tätigen Arbeitsmigranten zunutze zu machen. Rücküberweisungen stellen in vielen Entwicklungsländern die größte Quelle der aus dem Ausland erhaltenen Mittel dar, sie beliefen sich 2012 auf 351 Mrd. US-$ und übertrafen damit sowohl die ODA-Leistungen als auch die ausländischen Direktinvestitionen (Kapitel 10);
  • Politikmaßnahmen konzipieren und ein Umfeld schaffen, das erforderlich ist, um Investitionen von Unternehmen aus anderen Ländern, einschließlich anderen Entwicklungsländern, anzuziehen (Kapitel 12);
  • Korruption bekämpfen und finanziellen Einbußen infolge illegaler Finanzströme entgegenwirken (Kapitel 13).

Weitere Schritte

Die Welt ist imstande, nachhaltige Entwicklung zu finanzieren, denn die notwendigen Ressourcen sind vorhanden. Für die internationale Gemeinschaft besteht die Herausforderung darin, eine Bestandsaufnahme der verfügbaren Finanzierungsoptionen vorzunehmen und sie zu nutzen, zu koordinieren und ihre Nutzung aufmerksam zu beobachten, um die Ziele für die Zeit nach 2015 zu erreichen. Zu den in diesem Bericht aufgezeigten wesentlichen Aktionen gehören:

  • Ausrichtung der ODA ist auf die Länder, in denen sie am meisten gebraucht wird – die am wenigsten entwickelten Länder und fragilen Staaten –, und ihr Einsatz auf eine Art und Weise, dass andere Ressourcen mobilisiert werden.
  • Überarbeitung des ODA-Konzepts, um zu gewährleisten, dass es zum gegenwärtigen Finanzierungsumfeld passt.
  • Innovative Nutzung aller Finanzierungsquellen mit Potenzial zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele für die Zeit nach 2015.
  • Verbesserung der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Stärkung unter allen Gebern im Rahmen der Anstrengungen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele für die Zeit nach 2015.
  • Unterstützung von Politikreformen auf lokaler und globaler Ebene in den Bereichen Steuern, Finanzierung, Investitionstätigkeit und Handel, wobei die Kohärenz zwischen inländischen und internationalen Politikmaßnahmen sichergestellt sein muss.
  • Verschärfung der Gesetzgebung und Intensivierung der erforderlichen Zusammenarbeit, um illegale, internationale Finanzströme zu bekämpfen.
  • Mutiges und innovatives politisches Handeln bei der Finanzierung globaler Güter, wie ein stabiles Klima oder Frieden und Sicherheit. Es muss daher mit der Entwicklung der erforderlichen Strukturen und Mechanismen begonnen werden, um die Erbringung dieser Güter zu ermöglichen.

Weitere Informationen und Bezugsquellen finden Sie unter www.oecd-ilibrary.org/development/development-co-operation-report-2014_dcr-2014-en Quelle: OECD.

Immer besser: Neue OECD-Studie erfasst die Lebensqualität seit 1820

Eine Studie der OECD bietet zum ersten Mal systematische Erkenntnisse über langfristige Trends in verschiedenen Lebensbereichen, etwa in Bezug auf Gesundheit, Bildung, Umwelt oder persönliche Sicherheit.

(Berlin/Paris, 2. Oktober 2014) Die Lebensqualität der Menschen hat sich seit dem frühen 20. Jahrhundert in großen Teilen der Welt verbessert. Zu diesem Schluss kommt eine gemeinsame Studie der OECD und des OECD Development Centres unter Beteiligung der Wirtschaftshistoriker des holländischen Clio Infra-Projektes.“How was Life? Global well-being since 1820” belegt, dass sich gerade in jüngerer Zeit die Lebensbedingungen in den Ländern rund um den Globus stärker angeglichen haben als das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Mit einer Ausnahme, den Ländern südlich der Sahara.

Die Studie bietet zum ersten Mal systematische Erkenntnisse über langfristige Trends in Gesundheit, Bildung, sozialer Gleichheit, Umwelt oder persönlicher Sicherheit. Damit leistet sie einen Beitrag zu der Frage inwieweit ökonomischen Faktoren unsere Lebensqualität beeinflussen und ob unsere politischen Vertreter sich in ihrer Arbeit auf Themen konzentrieren, die für das Wohl der Menschen wichtig sind.

Die historischen Daten erstrecken sich von inflationsbereinigten Löhnen über das BIP, die Lebenserwartung, Bildungsabschlüsse, Größe (als Maß für physisches Wohlbefinden und Ernährung), Sicherheit, politische Institutionen, die Umwelt bis hin zur Ungleichheit in Bezug auf Einkommen und zwischen den Geschlechtern. Die Themen orientieren sich am How’s Life?-Bericht der OECD, der regelmäßig die Lebensqualität und den Fortschritt in modernen Gesellschaften misst.

Ein kombinierter Indikator aller erforschten Dimensionen zeigt, dass verbesserte Einkommen und höhere Wirtschaftskraft nicht notwendig auch zu Fortschritten in anderen Lebensbereichen führen. Das BIP allein spiegelt also die Lebensqualität nur ungenügend.

Laut der Studie sind die Löhne einfacher Arbeiter seit 1820 inflationsbereinigt um das Achtfache gestiegen, während das globale BIP sogar zehn Mal so hoch kletterte. Der Anstieg fiel allerdings in Westeuropa, Nordamerika, Australien, Nahost und Nordafrika stärker aus als in anderen Regionen.

Die Ungleichheit der Einkommen hat sich zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und 1970 verringert und ist danach wieder erheblich gewachsen. In Osteuropa kam es nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zu einem rasanten Anstieg der Ungleichheit. Auch in China ist die Ungleichheit seit den 90er Jahren auf dem Vormarsch. Insgesamt hat die Globalisierung seit den 1980er Jahren dazu geführt, dass die soziale Ungleichheit innerhalb der Staaten wuchs, während sie zwischen den Ländern zurückging.

In einigen Bereichen, wie zum Beispiel bei Bildung und Gesundheit, ist die statistische Korrelation mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zunächst relativ stark. 1820 konnte weltweit nur etwa jeder fünfte Mensch Lesen und Schreiben. Nach 1945 verbesserte sich die Alphabetisierung erheblich, im Jahr 2000 waren bereits acht von zehn Menschen in der Lage, zu lesen und zu schreiben. Ähnlich dramatisch war der Fortschritt bei der Lebenserwartung, die von weniger als 30 Jahren 1880 auf beinahe 70 Jahre (2000) stieg. Heute sind Dank einer verbesserten Gesundheitsversorgung selbst dort noch Fortschritte in der Lebenserwartung zu erkennen, wo das BIP stagniert.

Kaum ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen dem Reichtum eines Landes und der persönlichen Sicherheit seiner Bewohner: So waren zum Beispiel die Mordraten in den USA über 200 Jahre relativ hoch, während sie in vielen Teilen Asiens niedrig sind.

Weitere Informationen zum Bericht, einschließlich einer Online-Leseversion finden Sie unter www.oecd.org/berlin/publikationen/how-was-life.htm. Quelle: OECD.

Entwicklung des thematischen Portfolios der GIZ und aktuelle Handlungsfelder

Bei einem sektorübergreifenden Facharbeitskreistreffen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH am 22. Septenber 2014 in Eschborn wurden Umfang und Qualität der Zusammenarbeit mit der privaten Consultingwirtschaft besprochen.

Joachim Prey stellte wichtige Trends in der Internationalen Zusammenarbeit (IZ) und der Technischen Zusammenarbeit (TZ) dar.

  • MDG/SDG und Post2015 Prozess: Die Entwicklungsländer differenzieren sich, Entwicklungshilfe (ODA) ist ein Auslaufmodell. Der DAC sieht Zahl der EL auf 30 abnehmen, ODA wird darauf konzentriert. Technische Zusammenarbeit muss in die IZ übergehen.
  • Development Effectiveness: Obwohl der Zenit der Effizienz-Diskussion überschritten ist, sind viele Partnerländer selbstbewusster geworden und reden stark mit. Sie hinterfragen die Rolle „weißer Experten“ und deren Auswahl.
  • Erweiterte Institutionenlandschaft: Auch andere Fachinstitutionen (z.B. Deutsche Welle), Verbände und Privatwirtschaft bekommen öffentliche Aufträge in der IZ. Entwicklungsbank der BRIC Sund andere regionale Strukturen wachsen auch ohne die Industrieländer.
  • Fragile Kontexte: Krisen und Kriege nehmen zu, EZ wird zur Stabilisierung und Überlebenshilfe eingesetzt. Da bedeutet neue Chancen vom Sahel bis Afghanistan, aber auch neue Risiken.
  • Rohstoff Wissen: Erfahrungen der EL sind zunehmend als Praxiswissen anerkannt und ausgetauscht. Lern- und Dialogplattformen sind bei Partnern beliebter als Fachexpertise der GIZ. Web 2.0 wird zunehmend zum Wissensmanagement genutzt, ohne dass die TZ mithält.
  • „Made with Germany“ – IZ mit Deutschland greift auf das politische Modell von Frieden, Entspannung und Sozialstaat zurück. Heute wird vor allem begrüßt, was Deutschland aus eigener Erfahrung bieten kann. Die Partnern fragen deutsche Lösungen für globale Wettbewerbsfähigkeit bei Technologie und Innovation, Arbeitsmarkt, usw. nach. Dagegen ist die europäische Einigung kein passendes Modell mehr für andere Regionen.

Die GIZ gliedert ihr Portfolio in Leistungsschwerpunkten (LSP), bisher sind dies:

  • Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (NaWi)
  • Governance
  • Gesundheit/Soziale Sicherung
  • Bildung
  • Umwelt/Klima/Biodiversität
  • Wasser
  • Energie/Transport/Infrastruktur
  • Ländliche Entwicklung
  • Sicherheit/Wiederaufbau/Frieden

Ein besonders deutliches Wachstum verzeichnen in den letzten Jahren die Themenfelder Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Governance und Umwelt/ Klima/ Biodiversität.
Ein leichter Rückgang entstand zuletzt im LSP Sicherheit/Wiederaufbau/Frieden durch den Wechsel der entwicklungsfördernden und strukturbildenden Übergangshilfe (ESÜH) vom BMZ ins Auswärtige Amt.
Ein leichter Rückgang entstand im LSP Sicherheit/Wiederaufbau/Frieden durch den Wechsel der entwicklungsfördernden und strukturbildenden Übergangshilfe (ESÜH) ins Auswärtige Amt. Die Nachfrage nach Kombiprodukten (z.B. Lokale und Regionale Wirtschaftsentwicklung) steigt und damit die Anforderungen an abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit. Siehe GIZ Unternehmensbericht 2013

Von weiter zunehmender Bedeutung sind innovative fachübergreifende Ansätze, wie z.B. Betreibermodelle für Berufsbildungseinrichtungen, Beratung von EU Struktur und Kohäsionsfonds, Resilient Cities, Reformpolitik in EU Mitgliedsstaaten, Forschungsförderung Horizon 2020, Inklusion von Minderheiten (Roma), Wash for Millions, Innovationszentren, Risikominimierung in agrarischen Lieferketten, Integriertes Meeres- und Küstenzonenmanagement, Bekämpfung illegalen Handels mit Naturressourcen, Grenzmanagement, Flüchtlinge und Migration, sowie Stärkung von EZ/IZ Agenturen.

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GIZ und Consultingwirtschaft sind mit ihrer Zusammenarbeit zufrieden

Bei einem sektorübergreifenden Facharbeitskreistreffen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH am 22. Septenber 2014 in Eschborn wurden Umfang und Qualität der Zusammenarbeit mit der privaten Consultingwirtschaft besprochen.

Dr. Bernd Amler (AMBERO) und Marita Brömmelmeier (GIZ Abteilungsleitung Wirtschaft und Beschäftigung) stellten die Ergebnisse der ersten Umfrage zur Kooperationsqualität von GIZ und Consultingwirtschaft vor. Die Zusammenarbeit wurde von beiden Seiten generell einheitlich als sehr positiv bis positiv bewertet. Die Zusammenarbeit ist gut, bisher aber nicht geprägt von gegenseitigem Lernen. Kenntnisse der Verfahren und Regularien sind beiderseits ausbaufähig.

Mit dem Ziel der gegenseitigen Zufriedenheit soll zusätzlich zum Vergabebericht jährlich die Qualität der Kooperation festgestellt werden. Erstmals im Juli/August 2014 wurden als Stichprobe 39 GIZ Fachkräfte und 97 Consultants in Deutschland und Asien/Lateinamerika online befragt. Diese Baseline soll in den Folgejahren zum Monitoring dienen.

  • Aus Consultantsicht sind Leitungsbeschreibungen grundsätzlich verständlich. Gewichtungen des Bewertungsschemas bleiben teilweise erklärungsbedürftig, Rückfragen werden überwiegend zeitnah beantwortet.
  • Aus GIZ-Sicht sind die Angebote insgesamt gut. Sie werden zu 90% als angemessene Antwort auf die Leistungsbeschreibung gesehen. Der fachliche Anspruch an Consultants ist gestiegen.
  • Das internationale Personal entspricht aus GIZ-Sicht zu 60-80% den Anforderungen, die nationalen und regionalen Fachkräfte nur zu 50%. Nationale Gutachter ersetzen die internationalen nicht zufriedenstellend, meinen vor allem die Consultants.
  • Die fachliche Kooperation wird zu 70% als gut wahrgenommen. Vor allem die Consultants wünschen sich stärkere Einbindung in die Projektteams.
  • Gemeinsame Produktentwicklung ist gewünscht, aber ausbaufähig.
  • Die entsandten Consulting-Fachkräfte sind je nach Land verschieden gestellt, mal gleichgestellt mit GIZ Fachkräften, mal als lokale Fachkräfte behandelt.
  • Erwartungen an Backstopping-Leistungen und know how sind unklar. Die GIZ wüscht sich noch mehr proaktives Backstopping, definiert dies aber nicht. Insgesamt sieht die GIZ die Zusammenarbeit mit Backstoppern als gut mit den Consulting-Vertragskaufleuten nicht immer gut an.
  • Der Ressourceneinsatz ist in den letzten Jahren nicht effizienter geworden. Die Verwaltungsverfahren sind schwieriger geworden, das meinen vor allem die Consultants. Der administrative Steuerungsaufwand hat sich nicht reduziert (nur 20% GIZ, 7% Cons.).
  • Bei den Facharbeitskreisen sollen Kriterien für Zugang transparenter, einheitlicher und fairer gestaltet werden. Mit Format, Inhalt und Turnus zeigten sich alle zufrieden.

Als Verbesserungspotentiale für strukturelle Probleme der Zusammenarbeit wurden gesehen:

  • Verbesserung der Kommunikation mit dem Partnerpersonal zur Rolle der Consultingwirtschaft
  • Stärkung des Teamverständnisses GIZ/Consultants
  • Verbesserung der Vorbereitung der nationalen und regionalen Fachkräfte
  • Klärung der Erwartungen an gemeinsames Wissensmanagement und Produktentwicklung
  • Definition von Backstopping
  • Faire und transparente Kriterien für Zugang zu FAK
  • Besseres Verständnis der AV für Regularien bei Verträgen

Joachim Prey (GIZ FMB) forderte abschließend ein lebendiges Format für Wissensaustausch unter den FAK. Derzeit wird die regionale fachliche Kommunikation neu organisiert; es soll mehr virtuelle Plattformen geben anstatt Konferenzen. Task Forces zu instrumentellen Themen können gebildet werden.

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