Bessere Qualitätsinfrastruktur in Entwicklungs- und Schwellenländern

BMZ und PTB treffen Vereinbarung über den Ausbau ihrer langfristigen Zusammenarbeit

Qualitätsinfrastruktur – wer sie aufbaut, schafft für sein Land die notwendigen Rahmenbedingungen für einen fairen Handel und industrielle Entwicklung sowie für einen wirksamen Verbraucher-, Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutz. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) seit vielen Jahren den Aufbau von Qualitätsinfrastrukturen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Im Mai 2020 haben BMZ und PTB eine neue Vereinbarung unterzeichnet, die den Auftrag der PTB deutlich ausbaut: Das Volumen für den Aufbau von Qualitätsinfrastruktur in Kooperationsländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit soll zukünftig jährlich mindestens 15 Millionen Euro betragen. „Die PTB ist auf dem Gebiet der Qualitätsinfrastruktur eine weltweit hoch angesehene Institution. Wir wollen mit der PTB auch in Zukunft eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Hierfür ist die jetzt geschlossene Vereinbarung ein wichtiger Meilenstein“, sagt Gunther Beger, Abteilungsleiter im BMZ und Unterzeichner der Vereinbarung.

Seit rund 60 Jahren unterstützt die PTB das BMZ beim Aufbau einer Qualitätsinfrastruktur in Schwellen- und Entwicklungsländern. In diesem Förderungsbereich finanziert das BMZ zurzeit 72 Vorhaben weltweit, von denen die deutliche Mehrzahl, 52 Vorhaben, von der PTB umgesetzt werden. Der PTB-Fachbereich Internationale Zusammenarbeit berät dabei Partnerländer bei der Entwicklung und Nutzung einer bedarfsgerechten und international anerkannten Qualitätsinfrastruktur. Zu einer funktionsfähigen Qualitätsinfrastruktur gehören Metrologie, Normung, Akkreditierung, Konformitätsbewertung und Marktüberwachung. Sie sorgen für Vertrauen in Messergebnisse von z. B. Gewicht, Volumen, Temperatur oder Radioaktivität sowie in die Sicherheit von Produkten und Dienstleistungen wie beispielsweise medizinische Analysen. Dazu PTB-Präsident Prof. Dr. Joachim Ullrich: „Die PTB sieht sich in der gesellschaftlichen Verantwortung die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit ihrer Fachexpertise im Bereich der Qualitätsinfrastruktur zu unterstützen und freut sich über den Wunsch des BMZ diese Arbeit noch weiter auszubauen. Unser besonderes Augenmerk werden wir auf Afrika legen.“

So wird die PTB beispielsweise die Mitgliedsstaaten der 2019 gegründete afrikanischen Freihandelszone AfCFTA (African Continental Free Trade Area) beim Aufbau einer international anerkannten Qualitätsinfrastruktur unterstützen. Der afrikanische Kontinent weist in diesem Bereich allerdings eine große Heterogenität auf. Die Spannbreite reicht von Ländern wie Südafrika und Ägypten, die bereits auf internationalem Niveau agieren, bis hin zu Ländern mit völlig unzureichenden qualitätssichernden Dienstleistungen. Der Abbau von technischen Handelshemmnissen ist jedoch nur dann möglich, wenn in allen Ländern der AfCFTA die Übereinstimmung der gehandelten Waren und Dienstleistungen mit vereinbarten Normen und gesetzlichen Vorschriften gewährleistet ist. Ferner müssen diese Verfahren der Konformitätsüberprüfung gegenseitig anerkannt werden. Hier berät die PTB auf panafrikanischer, nationaler und regionaler Ebene in Bezug auf organisatorischen Aufbau, arbeitsteilige Vorgehensweisen, Harmonisierung von Normen sowie einheitliche Regulierungen und fördert die Vernetzung mit internationalen Gremien. Der Aufbau einer digitalen Informationsplattform gehört dazu wie der Ausbau besserer Messkompetenz in Laboratorien und Unternehmen.

GSDR-urbandevelopment
#GDSR: Ein Aufruf zum Handeln: 20 wichtige Maßnahmen

„Die Zukunft ist jetzt: Wissenschaft zur Erreichung der SDGs“

GSDR 2019Seit 1990 wurden Millionen von Menschen aus der Armut befreit. Dieser Fortschritt ist jedoch bedroht: Die Ungleichheit hat sich vertieft, und der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt nähern sich den Wendepunkten. Die Wissenschaft ist jedoch in der Lage, die Nachteile mit der Erreichung der 17 miteinander verbundenen Ziele für nachhaltige Entwicklung zu mindern und uns auf den Weg zu bringen, bis 2030 eine bessere Welt für alle zu schaffen. Darüber wurde der Bericht über die Globale Nachhaltige Entwicklung #GSDR jetzt veröffentlicht.

Dieser Bericht ist der erste vierjährliche globale Nachhaltigkeitsbericht, der von einer unabhängigen Gruppe von Wissenschaftler*innen verfasst wurde, die vom Generalsekretär der Vereinten Nationen im Auftrag der Mitgliedstaaten ernannt wurde. Es wurde geschrieben, um Maßnahmen zur Erreichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu informieren. Der Bericht mit dem Titel „Die Zukunft ist jetzt: Wissenschaft zur Erreichung der SDGs“ betont, dass Regierungen, Unternehmen, Gemeinden und die Zivilgesellschaft eine Reihe von Schlüsselbereichen menschlicher Aktivitäten verändern müssen: Ernährung, Energie, Verbrauch und Städte. Verstärkte Investitionen in die Wissenschaft zur Förderung der Nachhaltigkeit sowie in natur- und sozialwissenschaftliche Einrichtungen in Entwicklungsländern sind erforderlich.

Ein Aufruf zum Handeln: 20 wichtige Maßnahmen

In der Handlungsaufforderung des Berichts werden 20 Punkte genannt, an denen Interventionen zu einem transformativen und beschleunigten Fortschritt in Richtung mehrerer Ziele und Vorgaben im kommenden Jahrzehnt führen können. Diese gezielten Maßnahmen basieren auf der jüngsten wissenschaftlichen Literatur, in der die tieferen systemischen Zusammenhänge analysiert werden, die Synergien und Kompromisse zwischen einzelnen Zielen und Vorgaben aufzeigen.

Der Bericht befürwortet den universellen Zugang zu hochwertigen Grunddienstleistungen – Gesundheitsversorgung, Bildung, Wasser- und Sanitärinfrastruktur, Wohnen und sozialer Schutz – als Voraussetzung für die Beseitigung von Armut und Fortschritten beim menschlichen Wohlbefinden, wobei Menschen mit Behinderungen und anderen gefährdeten Gruppen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Der Bericht ruft dazu auf, erneut auf die Beendigung der rechtlichen und sozialen Diskriminierung zu achten und die Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen, Frauengruppen und anderen Gemeinschaftsorganisationen zu stärken, um sie als wichtige Partner bei den Bemühungen um die Umsetzung der Agenda 2030 zu betrachten. Die Autoren identifizieren die Lebensmittel- und Energiesysteme als besonders wichtige Schauplätze für Veränderungen, da diese Systeme, wie sie derzeit funktionieren, die Welt in die Nähe von Wendepunkten für die Umwelt bringen, aber auch wichtige Verbindungen für die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden sind.

Das Lebensmittelsystem muss weitreichende Änderungen an der Infrastruktur, den kulturellen und gesellschaftlichen Normen und der Politik erfahren, die den gegenwärtigen, nicht nachhaltigen Status quo unterstützen. Gegenwärtig leiden ungefähr 2 Milliarden Menschen unter Ernährungsunsicherheit und 820 Millionen Menschen sind unterernährt. Gleichzeitig nimmt die Übergewichtsrate in fast allen Regionen der Welt zu. Weltweit sind 2 Milliarden Erwachsene und 40 Millionen Kinder unter fünf Jahren übergewichtig.

Für Entwicklungsländer sind stärkere Sozialschutzböden erforderlich, um Ernährungssicherheit und Ernährung zu gewährleisten. Die Länder müssen die Umweltauswirkungen ihrer Lebensmittelproduktionssysteme unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette verringern, indem sie Lebensmittelverschwendung und die Abhängigkeit von tierischen Proteinquellen verringern. Sowohl die Entwicklungs- als auch die Industrieländer müssen verstärkt auf Unterernährung in all ihren Formen achten – auch auf die zunehmende Zahl von Übergewichtigen.

Das Energiesystem muss sich auch transformieren, um die Energiezugangslücke zu schließen. Fast 1 Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität, hauptsächlich in Afrika südlich der Sahara, und mehr als 3 Milliarden Menschen sind darauf angewiesen, feste Brennstoffe zum Kochen zu verschmutzen, was schätzungsweise 3,8 verursacht  Millionen vorzeitiger Todesfälle pro Jahr. Diese Lücken müssen gleichzeitig geschlossen werden. Erforderlich ist die Steigerung der Energieeffizienz und Ausstieg aus der fossilen Stromerzeugung ohne Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, damit die Weltwirtschaft im Einklang mit den Bestrebungen des Pariser Abkommens dekarbonisiert wird.

Der Anteil moderner erneuerbarer Energien an der gesamten weltweiten Energieversorgung ist in den letzten zehn Jahren jährlich um durchschnittlich 5,4 Prozent gestiegen. Seit 2009 sind die Preise für erneuerbaren Strom für Solarphotovoltaik um 77 Prozent und für Onshore-Wind um 38 Prozent gesunken – und seit fünf Jahren in Folge haben die weltweiten Investitionen in saubere Energie jährlich 300 Milliarden US-Dollar überschritten.

Zusätzliches Wachstum wurde jedoch durch direkte und indirekte Subventionen für fossile Brennstoffe gebremst, die weiterhin von ihren tatsächlichen Kosten für Wirtschaft, Gesundheit und Umwelt ablenken. Dem Bericht zufolge werden bis 2050 voraussichtlich zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Um die Agenda 2030 zu erreichen, sind kompaktere und effizientere Städte erforderlich, die durch hochwertige öffentliche Verkehrsmittel und andere Infrastrukturen, soziale Dienste und eine leistungsfähige Wirtschaft besser bedient werden können menschenwürdige und nachhaltige Lebensgrundlagen, einschließlich solcher, die durch Technologie und naturbasierte Industrien ermöglicht werden. Partnerschaften und Netzwerke zwischen Partnerstädten können kommunalen Führungskräften helfen, auf bewährten Praktiken und Fachwissen aufzubauen, ebenso wie Investitionen in den Aufbau einer „Wissenschaft der Städte“.

Die Wissenschaftler*innen betonten, dass die globalen Umweltgüter wie Atmosphäre, Regenwald und Ozeane als wichtige Quellen für Ökosystemleistungen und natürliche Ressourcen geschützt werden müssen. Regierungen, lokale Gemeinschaften, der Privatsektor und internationale Akteure müssen zusammenarbeiten, um natürliche Ressourcen zu erhalten, wiederherzustellen und nachhaltig zu nutzen. Die genaue Bewertung von Umweltgütern ist ein kritischer erster Schritt, und ihr Wert sollte durch Preisgestaltung, Transfers, Regulierung und andere wirtschaftliche Instrumente widergespiegelt werden.

Entscheidungen auf wissenschaftlicher Basis

Die Wissenschaft muss eine wichtige Rolle bei der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung spielen. Universitäten, politische Entscheidungsträger und Forschungsförderer müssen die von der Agenda 2030 geleitete Forschung stärker unterstützen. Gleichzeitig müssen Forscher der Nachhaltigkeitswissenschaft und anderer Disziplinen zusammenarbeiten, um Entwicklungsprobleme zu lösen und die Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu stärken. Sie müssen der Gesellschaft und den politischen Entscheidungsträgern Informationen zur Verfügung stellen, die sie zur Lösung von Entwicklungsproblemen verwenden können.

Der Bericht spricht für eine Verlagerung der aktuellen Forschungsprioritäten und die Unterstützung innovativer Ansätze in der Nachhaltigkeitswissenschaft, die Betonung von interdisziplinären Partnerschaften und die Bereitstellung von Unterstützung und Ressourcen für wissenschaftliche Institutionen, insbesondere im globalen Süden. Entwicklungshilfebudgets sollten die Steigerung der wissenschaftlichen Kapazität und des Zugangs im globalen Süden priorisieren. UN-Mitgliedstaaten, Forschungskonsortien und Bibliotheken sollten zusammenarbeiten, um die grenzüberschreitende und interdisziplinäre wissenschaftliche Zusammenarbeit für die SDGs zu verbessern.

Der vollständige Bericht „Die Zukunft ist jetzt: Wissenschaft für eine nachhaltige Entwicklung“ ist hier zu finden: https://sustainabledevelopment.un.org/gsdr2019

GSDR 2019
UNO-Bericht #GSDR fordert mehr Ambition bei der Umsetzung der 2030-Agenda

Der Globale Nachhaltigkeitsbericht identifiziert wichtige Ansatzpunkte für eine Transformation unserer Wirtschaftsweise

Der heute veröffentlichte Globale Nachhaltigkeitsbericht (Global Sustainable Development Report, #GDSR) unterstreicht die Notwendigkeit, die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bis 2030 zu erreichen. Besorgniserregend sind laut Bericht v.a. die global wachsende soziale Ungleichheit, ungebremster Klimawandel, der unvermindert voranschreitende Verlust der biologischen Vielfalt sowie die zunehmende Menge an menschenproduzierten Abfällen. Diese Entwicklungen zeichnen sich nicht nur durch negative, schwer zu ändernde oder unumkehrbare Auswirkungen aus, sondern erschweren die Umsetzung fast aller anderen Nachhaltigkeitsziele. Dies wirkt sich vielfach negativ auf Wirtschaft und Gesellschaft aus. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Umsetzung der 2030-Agenda wesentlich ambitionierter erfolgen muss.

Die SDGs und die Ziele des Pariser Klimaabkommens sind weiterhin erreichbar, stellt der GSDR in Übereinstimmung mit den letzten Sonderberichten des Weltklimarats (IPCC) und des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) fest. Der GSDR betont zugleich, dass dafür eine regionen- und sektorübergreifende Kooperation zwischen Regierungen, Institutionen und Akteuren aller Art nötig ist. Ein Umsteuern erfordert radikale Reformen, damit katastrophale Folgen und potentiell unumkehrbare Schäden der Umwelt verhindert bzw. abgemildert werden.

Wichtige Ansatzpunkte für die erforderliche Transformation unserer Gesellschaften sieht der Bericht vor allem im Wandel hin zu einer nachhaltigen Produktion von Nahrungsmitteln, in der Sicherstellung des universellen Zugangs zu nachhaltiger Energie, in der nachhaltigen Stadtentwicklung sowie im Schutz und nachhaltigen Management der globalen öffentlichen Umweltgüter, wie den Meeren.

Der GSDR wird alle vier Jahre von einer durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen einberufenen Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen und Herkunft für den SDG-Gipfel in New York am 24. und 25. September erstellt, die im Vierjahresrhythmus stattfinden. Er liefert jeweils einen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaften aufbauenden Überblick über die Umsetzung der 2030-Agenda, analysiert Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Nachhaltigkeitszielen der Agenda und beschreibt mögliche Transformationspfade.

Rezpetion in Deutschland

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Die Botschaft der Wissenschaft ist eindeutig: Wenn sie weitermacht wie bisher, gefährdet die Menschheit ihre natürlichen Lebensgrundlagen und dadurch auch die Grundfesten von Gesellschaft und Wirtschaft. Ein kraftvolles Umsteuern hin zu mehr Nachhaltigkeit ist dringend nötig. Das Gute ist: Die Maßnahmen dafür sind bereits erprobt und stehen uns zur Verfügung – und eine entschlossene und schnelle Umsetzung hätte auch erhebliche volkswirtschaftliche Vorteile.“

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller: „Wir müssen unseren Lebensstil und unsere Form des Wirtschaftens grundlegend ändern, das ist die Essenz des Berichts. Wir zerstören unsere eigenen Lebensgrundlagen und vor allem auch die der künftigen Generationen. Wir tun schon viel: Wir investieren in erneuerbare Energien, wir fördern den nachhaltigen Konsum und die Anpassung an den Klimawandel. Klar ist aber, wir alle müssen uns noch mehr anstrengen – jeder Einzelne und die Weltgemeinschaft als Ganzes.“

Der Bericht ist auf der folgenden Internetseite der UNO abrufbar: https://sustainabledevelopment.un.org/globalsdreport/2019

Herero- und Nama-Opferverbände kommen nach Hamburg

Zwischen 1904 und 1908 verübten die deutschen Kolonialtruppen im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika einen Völkermord an den Volksgruppen der Herero und Nama, mit dessen schwerwiegenden Folgen die Nachfahren der Opfer bis in die Gegenwart hinein konfrontiert sind. Diese sind Thema des zweiten Transnationalen Herero- und Nama-Kongresses, den die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e. V. und die Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg zusammen mit dem zivilgesellschaftlichen Bündnis „Quo Vadis Hamburg“ am 6. und 7. April in Hamburg veranstalten.

Die Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte Hamburgs wurde vor rund zwanzig Jahren durch verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen, insbesondere durch das Engagement der Black Communities und People of Color angestoßen. 2014 entschloss sich der Senat, die Aufarbeitung des kolonialen Erbes systematisch anzugehen. Zur Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlage wurde an der Universität Hamburg die Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe / Hamburg und die frühe Globalisierung“ eingerichtet, deren Finanzierung Anfang März von der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung um weitere fünf Jahre verlängert wurde. Die Hamburger Museen haben sich in verschiedenen Ausstellungen und Projekten dem Thema angenommen und auch bei der Kontextualisierung der zahlreichen unkommentierten Kolonialdenkmäler in der Stadt gibt es erste Fortschritte. So wurde jüngst in Jenfeld an der denkmalgeschützten Lettow-Vorbeck-Kaserne eine Informationstafel über General Lothar von Trotha angebracht, die seine Verantwortung an dem Völkermord an den Herero und Nama klar benennt.

Weitere Informationen zu dem Kongress finden Sie unter: https://colonial-amnesia-quovadishh.eu/

Der gewaltsamen Durchsetzung der deutschen Kolonialherrschaft fielen etwa 80 Prozent der Herero und 50 Prozent der Nama zum Opfer. Insgesamt starben bis zu 100.000 Menschen; Männer, Frauen und Kinder; die meisten von ihnen ließen die deutschen Truppen elendig in der Wüste verdursten und verhungern. Die Überlebenden wurden enteignet, in Lager interniert, misshandelt, vergewaltigt und zu harter Zwangsarbeit gezwungen. Viele überlebten diese brutale Behandlung nicht. Die Folgen des Genozids sind bis heute in Namibia spür- und sichtbar. Der Völkermord ist ein gesamtgesellschaftliches Trauma, das auch hundert Jahre später psychologisch, wirtschaftlich, sozial, kulturell und politisch nachwirkt.

Welche Rolle hat Hamburg beim ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts gespielt? Welche Spuren der Kolonialgeschichte finden sich im Stadtraum und was passiert mit den erinnerungspolitischen Leerstellen? Diese Fragen stellt der Zweite Transnationale Herero- und Nama-Kongress, zu dem die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e. V. und die Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg zusammen mit dem zivilgesellschaftlichen Bündnis „Quo Vadis Hamburg“ am 6. und 7. April nach Hamburg eingeladen hat. Erstmalig zu Gast in der Hansestadt ist eine Delegation von Vertreterinnen und Vertretern der Herero und Nama, die sich im Rahmen der Konferenz mit diesen und anderen Fragen auseinandersetzen werden.

Dass Hamburg in der Geschichte des Genozids an den Herero und Nama eine Schlüsselrolle zukommt, steht wissenschaftlich mittlerweile außer Frage. Die Hafenstadt war die koloniale Handelsmetropole des Kaiserreichs. So war es auch die Hamburger Kaufmannschaft, die 1883 – am Vorabend der Berliner West-Afrika-Konferenz (1884/85) – mit einer Denkschrift an den Reichstag appellierte, deutsche Kolonien in Afrika zu errichten. Der damalige Präses der Hamburger Handelskammer Adolph Woermann dominierte mit seiner Deutsch-Ost-Afrika-Linie jahrzehntelang den Linienverkehr nach Ostafrika und führte später auch die Truppentransporte in die Kolonien durch.

In Anerkennung der moralisch-politischen Verantwortung für die historischen Ereignisse hat der Hamburger Senat anlässlich des zweiten Transnationalen Herero- und Nama-Kongress die Delegation der Herero- und Nama-Opferverbände zu einem Senatsempfang in das Rathaus eingeladen.

epolrv 2017
Hamburger Ringvorlesung: Wie wirkt Entwicklungspolitik? #Evaluation #epolrv

Für SID und die Universität Hamburg habe ich eine öffentliche Vorlesungsreihe zur entwicklungspolitischen Praxis mitgestaltet. Mehr dazu: http://www.sid-hamburg.de/ringvorlesung2017 Morgen eröffne ich zusammen mit Prof. Dr. Cord Jakobeit. Dann folgen 10 Vorlesungen immer dienstags.

Die Veranstaltungen bieten ein Diskussionsforum, um die Rolle von Evaluation bei der Umsetzung er Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) zu betrachten. Dazu haben wir führende Evaluations-Fachleute nach Hamburg eingeladen.

Machen Sie gern mit, auch ohne in Hamburg dabei zu sein. Wir richten ein Webcast live ein.

epolrv 2017
Mit Evaluationen erkennen, kontrollieren, legitimieren und lernen
©: AniK_T[at]gmx.de
Abwasser – die ungenutzte Ressource | Weltwasserbericht der UNESCO

Der Weltwasserbericht 2017 spricht sich für einen Paradigmenwechsel aus: Statt Abwasser aus Privathaushalten, Landwirtschaft und Industrie als Problem zu betrachten, sollte es als Quelle von Rohstoffen genutzt werden. Der Bericht „Abwasser – die ungenutzte Ressource“ zeigt, wie Abwasser angesichts der steigenden Wassernachfrage als alternative Quelle der Wasser-, Energie- und Rohstoffversorgung an Bedeutung gewinnt.

„Wir müssen Abwasser als Teil von Gesamtlösungen für gesellschaftliche Herausforderungen und zur Erreichung der global vereinbarten Ziele nachhaltiger Entwicklung der Agenda 2030 betrachten. Abwasser kann wiederverwendet werden und enthält Energie und Rohstoffe. Die Agenda 2030 fordert eine solch integrierte Perspektive. Statt um Behandlung und Entsorgung von Abwasser geht es heute um seine Wiederverwendung, Wiederaufbereitung und Rückgewinnung“, erklärt Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied und Vorsitzende des Fachausschusses Wissenschaft der Deutschen UNESCO-Kommission.

Unbehandelte Abwasserentsorgung gefährdet Mensch und Umwelt

Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben in Gebieten, die mindestens einen Monat pro Jahr von Wasserknappheit betroffen sind. Die Nachfrage nach Wasser wächst weltweit und damit auch die Menge und Schadstoffbelastung von Abwasser. Wird Abwasser ohne angemessene Behandlung in die Umwelt abgeleitet, schädigt dies die Gesundheit, die Wirtschaftskraft, die Qualität der natürlichen Süßwasservorkommen und die Ökosysteme.

Im weltweiten Schnitt werden Schätzungen zufolge weniger als 20 Prozent des Abwassers in irgendeiner Form behandelt. In Ländern mit geringem Einkommen sind es nur acht Prozent, in Ländern mit Einkommen im unteren Durchschnittsbereich 28 Prozent, in solchen mit Einkommen im oberen Durchschnittsbereich 38 Prozent. Lediglich Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen behandeln im Schnitt etwa 70 Prozent ihres kommunalen und industriellen Abwassers.

Die zu behandelnden Abwassermengen werden in Zukunft deutlich zunehmen, insbesondere in schnell wachsenden urbanen Räumen in Entwicklungsländern. Noch haben 2,4 Milliarden Menschen keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen. Dieser Missstand und diese Menschenrechtsverletzung muss beendet werden. Zugleich wird dies zu noch mehr Abwasser führen.

Menschen und Ökosysteme weltweit sind von Krankheitserregern aus menschlichen und tierischen Exkrementen beeinträchtigt. 2012 waren 842.000 Sterbefälle in Ländern mit niedrigen oder mittleren Einkommen mit
verschmutztem Wasser oder mangelhaften Sanitäranlagen verbunden. Industrie und Bergbau leiten zum Beispiel oft Lösungsmittel und Kohlenwasserstoff ein, die Landwirtschaft Stickstoff, Phosphor und Kalium. Dies beschleunigt auch die Eutrophierung von Süßwasser und küstennahen Ökosystemen. Relativ neu und noch zu wenig erforscht sind Hormone, Antibiotika und Steroide in Abwässern und deren Einfluss auf Umwelt und Gesundheit.

Wasser als Ressource nutzen

In vielen Ländern war bislang Wasserversorgung allein politische Priorität, Abwasserbehandlung und -nutzung wurden vernachlässigt. Doch Wassergewinnung, Behandlung und sichere Nutzung von Abwasser sind ein Dreiklang, sowohl für eine ökonomische als auch für ökologisch nachhaltige Wassernutzung.

Wasser kann mehrfach genutzt werden, in der Industrie beispielsweise zum Kühlen oder Wärmen. Bis 2020 wird der Markt für industrielle Abwassernutzung Schätzungen zufolge um 50 Prozent wachsen. Behandeltes Wasser kann auch zur Versorgung mit Trinkwasser dienen. Die Stadt Windhoek in Namibia behandelt beispielsweise bis zu 35 Prozent des Abwassers für eine Wiederverwendung als Trinkwasser. Oft ist dazu Aufklärung der Öffentlichkeit über die Unbedenklichkeit nötig. Astronauten der Internationalen Raumstation ISS nutzen beispielsweise seit 16 Jahren dasselbe, immer wieder aufbereitete Wasser.

Abwasser kann auch als Quelle von Rohstoffen genutzt werden. Beispielsweise können die in Schmutzwasser und Klärschlamm enthaltenen Phosphate und Nitrate in Düngemittel verwandelt werden. Etwa 22 Prozent des derzeit weltweit benötigten Phosphors – eine endliche und bereits stark dezimierte Ressource – könnten aus menschlichem Urin und Exkrementen gewonnen werden.

Hintergrund

Der Weltwasserbericht der Vereinten Nationen wird jährlich für UN-Water durch die UNESCO und deren World Water Assessment Programme (WWAP) erstellt. Dazu arbeiten 31 UN-Organisationen mit der UNESCO zusammen. Von 2003 bis 2012 erschien der Bericht alle drei Jahre. Seit 2014 wird er jährlich mit einem Themenschwerpunkt herausgegeben.
Weitere Informationen

Die deutsche Kurzfassung des Weltwasserberichts sowie die englischsprachige Langfassung erhalten Sie auf Anfrage
unter roemer@unesco.de http://unesco.de/index.php?id=7571&rid=t_11221&mid=1153&aC=3bf5823d&jumpurl=-4 (Sperrfrist 22. März 2017, 0 Uhr)

DUK-Webseite Weltwasserbericht http://unesco.de/index.php?id=7571&rid=t_11221&mid=1153&aC=3bf5823d&jumpurl=-8

International Transdisciplinary Conference 2017 vom 11.-15.09. an der Leuphana Universität Lüneburg

Vom 11.-15. September 2017 findet an der Leuphana Universität Lüneburg die International Transdisciplinarity Conference 2017, organisiert von der Leuphana und dem TD-Net der Schweizer Akademie der Wissenschaften, statt. Schwerpunkt der diesjährigen Konferenz sind Aspekte von Interkulturalität im Themenkomplex transdisziplinärer Bildung und Forschung.

Durch die Konferenz soll die internationale Community transdisziplinärer Bildung und Forschung gestärkt werden, indem deren Fortschritte in theoretischer, empirischer und transformativer Hinsicht sichtbar gemacht und im Sinne einer Kultur der Interkulturalität auch auf der Konferenz selber verschiedene Regionen, Institutionen, Kulturen und Gemeinschaften zusammengebracht werden.
Im Themenschwerpunkt soll Transdisziplinarität in seiner (inter)kulturellen Dimension betrachtet werden, um das Potenzial von Transdisziplinarität im Umgang mit Heterogenität und sozialen, epistemologischen, als auch regionalen Unterschieden zu beleuchten.

Beiträge in den Kategorien Theorien, Methoden und Case-Studies, als auch didaktische Konzepte können noch bis Freitag, den 10. März in Form von Abstracts eingereicht werden. Den ausführlichen Call können Sie hier herunterladen. Weitere Informationen zur Konferenz finden Sie hier.
PTB QI-Tage: Umwelt absolut! Metrologie am Rande planetarischer Grenzen

Die fünften „Braunschweiger QI-Tage angeMESSEN!“ am 20.-21.5.2014 stellten das Konzept planetarischer Grenzen vor und sucht nach Implikationen für eine angemessene Qualitätsinfrastruktur in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Braunschweiger QI-Tage sind die zentrale entwicklungspolitische Fachveranstaltung des Fachbereichs Technische Zusammenarbeit der PTB. Mehr dazu:http://www.ptb.de/cms/qi-tage.html

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt stellte ihre Angebote damit in den internationalen Kontext der Klimaanpassung. Um festzustellen, ob beispielsweise Wasser mit Schadstoffen belastet ist, sind laut PTB verlässliche Messungen und Analysen unerlässlich. Dafür brauche es eine funktionierende Qualitätsinfrastruktur: „Nur was wir messen können, können wir auch verbessern“, sagte Dr. Marion Stoldt, die Fachbereichsleiterin der PTB.

Die Umweltdimension nachhaltiger Entwicklung kann wissenschaftlich durch absolute biophysikalische Grenzen definiert werden, innerhalb derer ein sicherer Handlungsraum für die Menschheit besteht. Überschreiten die vom Menschen verursachten Belastungen diese Grenzen, besteht die Gefahr weltweiter plötzlicher und irreversibler Umweltveränderungen mit drastischen Auswirkungen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung.

Im Jahr 2009 stellte eine internationale Wissenschaftlergruppe unter Leitung von Johan Röckström das Konzept der „planetarischen Grenzen“ vor und identifizierte in neun Bereichen biophysikalische Grenzen. Der Kenntnisstand deutet darauf hin, dass diese Grenzwerte in drei Bereichen bereits überschritten wurden: Klimawandel, biologische Vielfalt und Stickstoffeintrag in die Biosphäre. Als weitere Bereiche identifizierten die Forscher die stratosphärische Ozonschicht, Landnutzungsänderungen, Wassernutzung, die Versauerung der Ozeane, den Eintrag von Phosphor in die Biosphäre und die Meere sowie die Aerosolbelastung und Verschmutzung durch Chemikalien.

Sarah Cornell stellte das aktuelle Modell zur Messung planetarischer Grenzen vor und leitete daraus Herausforderungen für die Qualitätsinfrastruktur ab. Stockholm Resilience Centre Discussion Paper

Dr. habil. Ulrich Hoffmann, UNCTAD Head of Trade and Sustainable Development, mahnte die Wissenschaft dazu, auch angesichts unbequemer Wahrheiten ihre Ergebnisse klar an Politik und Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Hintergrund

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) als Metrologie-Institut der Bundesrepublik Deutschland führt seit den 1960er Jahren im Auftrag des BMZ Projekte der Technischen Zusammenarbeit durch. Die „Braunschweiger QI-Tage angeMESSEN!“ ist die zentrale entwicklungspolitische Fachveranstaltung des Fachbereichs Technische Zusammenarbeit der PTB http://www.ptb.de/de/org/q/_index.htm. Die Abkürzung QI steht für „Qualitätsinfrastruktur“, das System der Normung, technischen Regulierung und Konformitätsbewertung (Akkreditierung, Messwesen, Prüfung, Zertifizierung).

Siehe auch

BMZ, Sektorkonzept 129, Qualitätsinfrastruktur, Konformitätsbewertung – Messen, Normen, Prüfen ( MNPQ ), 2004, http://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/wege_und_akteure/sektorkonzept_qualitaetsinfrastruktur.pdf

weitzenegger.de, Metrology, Standardization, Testing and Quality, Accreditation and Certification (MSTQ), Januar 2007, http://www.weitzenegger.de/consulting/?p=18100

 

 

Entwicklungstheorien reloaded? | Ringvorlesung Universität Hamburg Sommersemester 2014

Zum Stand der entwicklungstheoretischen Diskussion in Deutschland
Entwicklungstheorien

ZEIT & ORT: DIENSTAGS, 18-20 UHR (01.04.-08.07.), Hörsaal C, Edmund-Siemers-Allee 1

Anreise mit HVV | Anreise mit Bahn | Lageplan | Saalplan Hashtag: #epolrv

Das Chapter Hamburg der Society for international Development (SID) bietet 2014 wieder eine entwicklungspolitische Vorlesungsreihe an. Die Ringvorlesung http://www.sid-hamburg.de/ringvorlesung im Sommersemester widmet sich dem Stand der entwicklungstheoretischen Diskussion in Deutschland. Dabei arbeiten wir wieder mit Prof. Dr. Cord Jakobeit und der Universität Hamburg zusammen, um exzellente Inputs zu erhalten. Kooperationspartner ist das Eine Welt Netzwerk Hamburg.

Fragestellung und Ziel

In den letzten drei Jahrzehnten haben weitreichende globale Transformationsprozesse den Gegenstandsbereich der Entwicklungsforschung grundlegend verändert und Entwicklungspolitik und -theorie vor neue Herausforderungen gestellt. In der Ringvorlesung soll die Bedeutung der neueren Diskussionen und des aktuellen Forschungsstandes für Politik und Praxis beleuchtet werden.

Vor diesem Hintergrund widmet sich die Ringvorlesung der entwicklungstheoretischen Theoriediskussion und ist in drei Themenblöcke aufgeteilt:

  1. Zentrale Veränderungen des Gegenstandsbereichs angesichts der tief greifenden weltgesellschaftlichen Transformationsprozesse : Globalisierung, Differenzierung der ehemals sogenannten „Dritten Welt“ und Aufstieg der Schwellenländer.
  2. Neue Herausforderungen in der Entwicklungspolitischen Debatte durch MDGs, Ausrichtung auf Wirksamkeit und neue Geber.
  3. Hinterfragung der Entwicklungsforschung, der entwicklungspolitischen Praxis und radikale Kritik an der Entwicklungspolitik.

Zu den Themen der Ringvorlesung soll im Sommer 2014 ein PVS-Sonderheft 48 „Entwicklungstheorien“ erscheinen.
Begleitende Informationen werden auf der Internetseite www.sid-hamburg.de/ringvorlesung bereitgestellt werden.

Programm

Für eigenen Kalender herunterladen: http://www.sid-hamburg.de/calendar-date/ical/

Internationale Entwicklungszusammenarbeit als Berufsfeld | Reader des SLE 2013

SLE ReaderInternationale Entwicklungszusammenarbeit als Berufsfeld: Trends und Herausforderungen für die Personalentsendung
Gesa Grundmann, Seminar für Ländliche Entwicklung (SLE), Berlin, 2013
Download: https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/3790 (PDF, 2,8 Mb)

Band 2 der entwicklungspolitischen Themenreihe des SLE Berlin beschäftigt sich mit dem Thema Personalentsendung im Berufsfeld Internationale Entwicklungszusammenarbeit und untersucht die aktuellen Trends sowie die damit verbundenen Herausforderungen.

Die große Mehrheit der Fachleute, die in diesem Reader zu Wort gekommen sind, ist der Auffassung, dass das Berufsfeld EZ/IZ sich auch zukünftig mit komplexen und herausfordernden Aufgaben beschäftigen wird und dementsprechend gut qualifizierten und motivierten Nachwuchs braucht.

Veränderungen deuten sich jedoch an hinsichtlich der Personalkonzepte und den zu bearbeitenden Themenkomplexen. So wird es vermutlich zukünftig mehr Süd-Süd BeraterInnen geben so-wie internationale Fachkräfte, die unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bei der Umsetzung von EZ/IZ Vorhaben der verschiedenen Geberländer mitarbeiten. Ob sich die thematische Ausdifferenzierung der EZ/IZ (z.B. in Nothilfe, Postkonflikt-Interventionen, fragile Staaten aber auch das sog. „Nordgeschäft“) in dementsprechende Berufsgruppen mit Spezialqualifikationen (und–ausbildungen) umsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Genauso offen bleibt die Frage, ob die deutsche staatliche EZ/IZ ihre Beratungsansätze zukünftig noch gezielter auf Makro-und Mesoebene lenken wird und die direkte Arbeit mit Zielgruppen an der Basis den kirchlichen, nichtstaatlichen oder lokalen Organisationen überlässt. Eine Konstante des Berufsfeldes wird jedoch auch zukünftig der Bedarf an ExpertInnen sein, die neben einer soliden Fachausbildung explizit auch über methodische und soziale Kompetenzen verfügenund in der Lage sind, ihr Agieren in immer komplexer werdenden Kontexten selbstkritisch zu reflektieren.

Auszug: Schlussfolgerungen

Der vorliegende Reader ist der Frage nachgegangen, inwieweit das Instrument der Personalentsendung heute noch zeitgemäß ist, welchen Veränderungen es unterliegt und wohin der Trend gehen könnte. Im Folgenden werden die verschiedenen Erkenntnisse im Hinblick auf die Zukunft der Personalentsendung zusammengefasst, bewertet und in den Kontext von Weiterbildung und Nachwuchsförderung für das Berufsfeld gestellt.

Paradigmenwechsel durch neue Akteure

EZ/IZ ist in den letzten Jahren zunehmend global geworden, d.h. Modalitäten und Instrumente der EZ/IZ folgen einer global vereinbarten Zielagenda, die auf internationaler Ebene im Rahmen der Wirksamkeitsdebatten auf den High Level Foren (HLF) verhandelt werden. Gleichzeitig zeichnet sich ein Paradigmenwechsel durch Verschiebungen in den ökonomischen und politischen Kräfteverhältnissen der Staaten ab. Manche Schwellenländer oder Ankerländer gehören nun zu den neuen Entwicklungsfinanzgebern und bringen ihre Interessen in die internationalen Abkommen ein. Der Privatsektor, private Stiftungen, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure in Nord und Süd werden zunehmend einbezogen und sind an der Wirksamkeitsdebatte von Entwicklungszusammenarbeit beteiligt. Die bisherige Geber-Nehmer-Mentalität soll aufgebrochen werden durch die Idee der „Globalen Partnerschaft“, in der alle Akteure der Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe miteinander agieren, verhandeln und kooperieren.

Fortbestehen alter Probleme in neuen Dimensionen

Trotz global abgestimmter Internationaler Entwicklungsziele im Rahmen der Millenniums- und zukünftig der Sustainable Development Goals (SDG) und einer breiten Akteurslandschaft sieht sich die Welt nach wie vor vielen ungelösten Problemen, Missständen, Katastrophen und Fehlentwicklungen gegenüber. Vom Menschen verursachte Probleme wie Klimawandel, Ressourcendegradierung und Umweltverschmutzung, soziale Disparitäten, Kriege, Migration, fragile Staaten und das Fortbestehen von Armut und Hunger für große Teile der Menschheit lassen die Idee eines „sich überflüssig Machens von Entwicklungszusammenarbeit“ wohl noch für längere Zeit in weite Ferne rücken.

Skepsis gegenüber den bisherigen Ansätzen

Nicht nur in der entwicklungspolitischen Fachwelt macht sich eine gewisse Ernüchterung über die bisher erreichten Ziele der großen, internationalen Konferenzen breit. Auch in der Öffentlichkeit steht die EZ/IZ in der Kritik,–insbesondere in Zeiten von Wirtschafts-und Finanzkrisen–keine ausreichenden Wirkungen zu erzielen. Die Suche nach Erfolg versprechenden Ansätzen, Konzepten und Strukturen hält daher an, wobei das große Problem der fehlenden Kohärenz unterschiedlicher Politikfelder nach wie vor eine der größten Herausforderungen darstellt. Auch gegenüber den verschiedenen neuen Akteuren herrscht Skepsis, da für die EZ zu Grundeliegende Prinzipien und Werte – wie beispielsweise die Einhaltung der Menschenrechte oder die Beteiligung der Zivilgesellschaft–häufig in den neuen Kooperationsformennichtbeachtet werden.

Von der Entwicklungshilfe über die Entwicklungszusammenarbeit zur Internationalen Zusammenarbeit

Die Veränderungen auf globaler Ebene zeichnen sich auch in der bundesdeutschen entwicklungspolitischen Landschaft ab. Zunehmend wird von „Internationaler Zusammen-arbeit“ gesprochen statt von Entwicklungszusammenarbeit oder gar von Entwicklungshilfe. Dies wird insbesondere im Namen der neu gegründeten GIZ deutlich–das IZ ist hier Teil des Namens, was u.a. die verstärkte Kooperation mit Schwellen-und Industrieländern postuliert. Als Teilder IZ wird auch das Engagement einiger deutscher öffentlicher Auftraggeber (DÖAG) bezeichnet, wie z.B. dem Bundesumweltministerium, dem Bundesgesundheitsministerium oder dem Auswärtigen Amt, die in den letzten Jahren (zusätzlich zu den vom BMZ finanzierten Maßnahmen) Mittel für Klimaschutz, Friedenssicherung oder die Bekämpfung globaler Gesundheitsrisiken zur Verfügung gestellt haben. Auch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in Form von „Public Private Partnerships“ läuft unter dem Oberbegriff IZ. Gleichzeitig wird der Begriff Entwicklungszusammenarbeit weiter verwendet, insbesondere von den kirchlichen Entwicklungsdiensten aber auch von NRO wie z.B. der Welthungerhilfe.

Personalentsendung im Aufschwung

Einige Geberländer (wie z.B. Großbritannien, die Niederlande oder die skandinavischen Länder) haben sich in den vergangenen Jahren von der personellen Zusammenarbeit mehr auf die finanzielle Zusammenarbeit (und hier vorwiegend auf die Budgethilfe) verlegt. Deutschland hingegen hält am Konzept der Personalentsendung als wichtiges Instrument der EZ/IZ fest. In den letzten Jahren sind die deutschen ODA-Mittel sowie die Anzahl der entsandten Fachkräfte gestiegen (siehe Kapitel2). Ebenso sind das Themenspektrum und die Anzahl der Länder, in die Personal entsendet wird, gewachsen. Dies liegt einerseits an den „neuen Gebern“ innerhalb Deutschlands (andere Ministerien),andererseits aber auch an Aufträgen, die deutsche EZ/IZ-Organisationen für andere Länder umsetzt (z.B. für die Skandinavier, Australien, die EU oder die Weltbank). Die Personalabteilungen der deutschen Entsendeorganisationen bescheinigen, dass es in den letzten Jahren viele neue Stellen gab und proportionalviele Nachwuchskräfte den Einstieg in das Berufsfeld gefunden haben. Ob dieser Trend in Zeiten internationaler Finanzkrisen jedoch anhalten wird, wagt derzeit niemand zu prognostizieren Schlussfolgerungen

Personalentsendung mit internationalen Fachkräften

Schon immer arbeiten relativ viele lokale Fachkräfte für Organisationen wie der GTZ/GIZ oder der Welthungerhilfe bei der Umsetzung von Projekten und Programmen in ihren Herkunftsländern mit. Sie arbeiten mit lokalen, befristeten und zumeist deutlichweniger gut bezahlten Verträgen, genießen in der Regel nicht die Privilegien entsandter Fachkräfte (wie z.B. Auslandszulagen oder die Evakuierung ins Ausland bei Krisen) und bekleiden häufig die weniger verantwortungsvollen Positionen. Relativ neu hingegen ist der Trend, dass deutsche Organisationen internationale Fachkräfte verschiedenster Herkunft auf verantwortungsvolle Posten in ihre Vorhaben entsenden. Dies gilt insbesondere für die Entsendung an „schwierige Standorte“, d.h. fragile Staaten oder Nothilfegebiete, für diees nicht immer genügend geeignete KandidatInnen mit deutscher Her-kunft gibt.

Auslaufmodell „EntwicklungshelferIn“?

Passt das Modell des Entwicklungshelfers, der auf Grundlageeines 1969 entstandenen Vertragswerks unds eitdem nicht grundsätzlich veränderten Entwicklungshilfegesetzes arbeitet, noch in das Bild der modernen IZ? Diese Fragesteht nach der Fusion des Deutschen Entwicklungsdienstes (mit ca.1.000 Entwicklungshelferstellen) mit der GTZ und InWEnt in die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit im Raum. Nach Willen des BMZ soll es im Rahmen der GIZ auch nach der Fusion das Instrument der staatlichen EH-Entsendung weitergeben. Einiges–wie z.B. die deutlich abgesunkenen EH-Entsendezahlen nach der Fusion–deutet jedoch darauf hin, dass dieses Instrument zunehmend als nicht mehr zeitgemäß empfunden wird und es innerhalb eines Unternehmens auf Dauer schwierig sein wird, Fachkräfte zu entsenden, die in ähnlichen Arbeitskontexten mit unterschiedlichen Verträgen und Entlohnungssystemen agieren. Kritische Stimmen befürchten, dass es zukünftig die Entwicklungshelferentsendung für Einsätze mit Basisgruppen nur noch über kirchliche oder nicht-staatliche Entwicklungsdienste geben wird, wohingegen sich die staatliche GIZ zunehmend auf Beratungsvorhaben auf Meso-bzw. Makroebene fokussieren wird.

Entwicklung eines eigenständigen Berufsfeldes für Nothilfe, zivilen Friedensdienst und den Einsatz in fragilen Staaten?

Eine Entsendung in Nothilfegebiete, (Nach-)Kriegsgebiete oder fragile Staaten erfordert von den Fachkräften besondere Kompetenzen, die über einen „normalen“ Einsatz in Entwicklungsländern hinausgehen. Gefordert werden insbesondere konfliktsensibles Handeln, erhöhte Stressresistenz und die Fähigkeit, auch unter eingeschränkten Sicherheitsbedingungen zu arbeiten und zu leben. Einsatzorte, die explizit nicht familien-tauglich sind, haben in den letzten Jahren stark zugenommen und wer-den wohl auch in Zukunft relevant bleiben. Es stellt sich daher die Frage, ob sich das Berufsfeld EZ/IZ mit noch spezifischeren Aus-und Weiterbildungsangeboten noch mehr auf diese Bereiche spezialisieren wird. Im reinen Nothilfebereich ist dies weitestgehend geschehen. Hier gibt es Ausbildungsgänge in Logistik oder Nothilfe und die so ausgebildeten Fachkräfte arbeiten vornehmlich in Nothilfe-Vorhaben. Auch für den zivilen Friedensdienst gibt es spezielle Ausbildungsgänge und einen Arbeitsmarkt, der diese Spezialkenntnisse nachfragt und schätzt. Für den Einsatz in fragilen Staaten hingegen suchen die Entsendorganisationen Fachkräfte, die sich an den Schnittstellen von Not-und Übergangshilfe, dem Wiederaufbau und der Entwicklungszusammenarbeit verorten. Bis-lang ist zu beobachten, dass die Fachkräfte zwischen Einsätzen in fragilen Staaten und „klassischen“ Entwicklungsländern wechseln. Es bleibt jedoch zu beobachten, ob diese „Durchlässigkeit“, d.h. das Wechseln zwischen fragilen Ländern, nicht fragilen Ländern und dem Einsatz in den Zentralen der Entsendorganisationen so beibehalten wird oder ob sich auch hier ein Spezialberufsfeld „fragile Staaten“ herausbildet.

Berufsfeld ohne Nachwuchssorgen

Ob das Berufsfeld EZ/IZ weiterwachsen wird oder nicht, Nachwuchssorgen plagen in Deutschland derzeit niemanden. Fest steht, dass es sich um ein verhältnismäßig kleines Berufsfeld handelt, das jährlich rund300 Nachwuchsstellen und hohe Einstiegsbarrieren bietet. Der Berufseinstieg für junge Menschengestaltet sich nach wie vor eher schwierig, da die Anforderungen an Kompetenzen und erste Arbeitserfahrungen hoch sind und es tendenziell mehr Interessenten als Stellen gibt. Auslands-und Inlandspraktika während des Studiums sind unerlässlich, um eine der wenigen Junior-,Nachwuchs-oder Traineestellen bei den einschlägigen Organisationen zu bekommen. Wichtig ist auch, sich relativ früh für das Berufsfeld zu interessieren, um Studium, Sprachen, Auslandsaufenthalte und Praktika idealer Weise an dem Bedarf des Berufsfeldes auszurichten. Verbessert werden sollte dabei die Schnittstelle bzw. Verbindung zwischen den Universitäten und den Berufsfeldorganisationen. Über Berufsmessen hinaussollten noch andere Wege gefunden werden, wie das Berufsfeld sich mehr an universitäre Ausbildung und Forschung annähert. Auch die Möglichkeit für junge Menschen, berufsfeldnah für 6-12 Monate ins Ausland zu gehen, sollte dem Nachwuchs weiter offen stehen. Hier sind insbesondere das Weltwärts-Programm des BMZ sowie das Nachwuchsförderprogramm (NFP) des ehemaligen DED zu nennen, die sich explizit an junge Menschen wenden. Derzeit wird geprüft, ob das NFP-Programm in der neuen GIZ weiter Bestand haben wird. Aus Sicht der Ausbildungsinstitutionen ist dies auf jeden Fall zu befürworten.

Die Rolle der Ausbildungsinstitute

Alle oben genannten Entwicklungen werden von den einschlägigen EZ/IZ Ausbildungsinstitutionen DIE, SLE und NADEL regelmäßig beobachtet und ausgewertet. In den letzten Jahren haben die drei Institutionen ihr Ausbildungsangebot explizit auf Fachkräfte aus Entwicklungs-und Schwellenländern ausgeweitet: das DIE mit seiner Global Governance School für Führungskräfte aus Schwellenländern, das SLE mit seinen offenen Trainingsangeboten sowie der Unterstützung eines SLE-ähnlichen Studiengangs in Mosambik, und das NADEL mit Kursangeboten in Entwicklungsländern. Dabei werden die „neuen“ Zielgruppen als komplementär zu der Ausbildung deutschsprachiger Nachwuchskräfte gesehen und es wird gezielt auf Schnittstellen und Synergien zwischen alten und neuen Geschäftsbereichen hingearbeitet. SLE und NADEL beschäftigen sich intensiver mit dem Themenbereich „fragile Länder“, wohingegen sich das DIE mit dem Themenkomplex „Global Governance“ auf die Politikberatungsebene spezialisiert hat. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von neuen Master-studiengängen, die in verschiedenen EZ/IZ Spezialthemen wie z.B. Evaluierung (Universität des Saarlandes), Katastrophenvorsorge (Universität Bonn) oder Humanitäre Hilfe (Ruhr-Universität Bochum) Nachwuchsausbildung für das Berufsfeld betreiben.

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