OECD Report
COVID-19 hat dramatischen Auswirkungen auf fragile Regionen

Die Agenda 2030 befindet sich an einem kritischen Punkt. Fortschritte bei den nachhaltigen Entwicklungszielen in fragilen Kontexten hatten sich bis 2019 verlangsamt. Mit dem Coronavirus sind selbst diese Fortschritte ins Stocken geraten oder kehren sich ins Gegenteil um. Während sich das volle Ausmaß der pandemiebedingten Auswirkungen erst jetzt entfaltet, zeigt sich die Notwendigkeit dringender, kollektiver Reaktionen, um den Bedürftigsten zu helfen und sicherzustellen, dass niemand zurückbleibt.

Der OECD-Bericht „States of Fragility 2020“ untersucht Fragilität – die Kombination aus Risikoexposition und unzureichender Bewältigungskapazität eines Staates mit Folgen wie Gewalt, Armut, Ungleichheit, Vertreibung, Umwelt- und Politikdegradation – als eine Geschichte in zwei Teilen: den globalen Zustand der Fragilität vor COVID-19 und die dramatischen Auswirkungen der Pandemie auf fragile Regionen. Er untersucht die Sichtweise und die Praxis in Bezug auf Fragilität und schlägt neue Ideen zur Analyse des Humankapitals und zur Konfliktverhütung vor.

Direktzugang zur Online-Ausgabe: https://doi.org/10.1787/ba7c22e7-en

GSDR 2019
UNO-Bericht #GSDR fordert mehr Ambition bei der Umsetzung der 2030-Agenda

Der Globale Nachhaltigkeitsbericht identifiziert wichtige Ansatzpunkte für eine Transformation unserer Wirtschaftsweise

Der heute veröffentlichte Globale Nachhaltigkeitsbericht (Global Sustainable Development Report, #GDSR) unterstreicht die Notwendigkeit, die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bis 2030 zu erreichen. Besorgniserregend sind laut Bericht v.a. die global wachsende soziale Ungleichheit, ungebremster Klimawandel, der unvermindert voranschreitende Verlust der biologischen Vielfalt sowie die zunehmende Menge an menschenproduzierten Abfällen. Diese Entwicklungen zeichnen sich nicht nur durch negative, schwer zu ändernde oder unumkehrbare Auswirkungen aus, sondern erschweren die Umsetzung fast aller anderen Nachhaltigkeitsziele. Dies wirkt sich vielfach negativ auf Wirtschaft und Gesellschaft aus. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Umsetzung der 2030-Agenda wesentlich ambitionierter erfolgen muss.

Die SDGs und die Ziele des Pariser Klimaabkommens sind weiterhin erreichbar, stellt der GSDR in Übereinstimmung mit den letzten Sonderberichten des Weltklimarats (IPCC) und des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) fest. Der GSDR betont zugleich, dass dafür eine regionen- und sektorübergreifende Kooperation zwischen Regierungen, Institutionen und Akteuren aller Art nötig ist. Ein Umsteuern erfordert radikale Reformen, damit katastrophale Folgen und potentiell unumkehrbare Schäden der Umwelt verhindert bzw. abgemildert werden.

Wichtige Ansatzpunkte für die erforderliche Transformation unserer Gesellschaften sieht der Bericht vor allem im Wandel hin zu einer nachhaltigen Produktion von Nahrungsmitteln, in der Sicherstellung des universellen Zugangs zu nachhaltiger Energie, in der nachhaltigen Stadtentwicklung sowie im Schutz und nachhaltigen Management der globalen öffentlichen Umweltgüter, wie den Meeren.

Der GSDR wird alle vier Jahre von einer durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen einberufenen Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen und Herkunft für den SDG-Gipfel in New York am 24. und 25. September erstellt, die im Vierjahresrhythmus stattfinden. Er liefert jeweils einen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaften aufbauenden Überblick über die Umsetzung der 2030-Agenda, analysiert Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Nachhaltigkeitszielen der Agenda und beschreibt mögliche Transformationspfade.

Rezpetion in Deutschland

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Die Botschaft der Wissenschaft ist eindeutig: Wenn sie weitermacht wie bisher, gefährdet die Menschheit ihre natürlichen Lebensgrundlagen und dadurch auch die Grundfesten von Gesellschaft und Wirtschaft. Ein kraftvolles Umsteuern hin zu mehr Nachhaltigkeit ist dringend nötig. Das Gute ist: Die Maßnahmen dafür sind bereits erprobt und stehen uns zur Verfügung – und eine entschlossene und schnelle Umsetzung hätte auch erhebliche volkswirtschaftliche Vorteile.“

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller: „Wir müssen unseren Lebensstil und unsere Form des Wirtschaftens grundlegend ändern, das ist die Essenz des Berichts. Wir zerstören unsere eigenen Lebensgrundlagen und vor allem auch die der künftigen Generationen. Wir tun schon viel: Wir investieren in erneuerbare Energien, wir fördern den nachhaltigen Konsum und die Anpassung an den Klimawandel. Klar ist aber, wir alle müssen uns noch mehr anstrengen – jeder Einzelne und die Weltgemeinschaft als Ganzes.“

Der Bericht ist auf der folgenden Internetseite der UNO abrufbar: https://sustainabledevelopment.un.org/globalsdreport/2019

ODA 2018
Weniger Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in 2018 – insbesondere für besonders arme Länder

Berlin/Paris (OECD) 10. April 2019 – Die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit sind 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 2,7 Prozent gesunken. Besonders stark war der Rückgang für die bedürftigsten Länder. Dies geht aus den vorläufigen Daten der OECD hervor, die heute veröffentlicht wurden. Der Rückgang ist vor allem darauf zurückzuführen, dass weniger Mittel für die Aufnahme von Flüchtlingen aufgewendet wurden. So werden mittlerweile deutlich weniger Menschen als Flüchtlinge aufgenommen, gleichzeitig wurden Vorschriften verschärft, nach denen die Kosten für Flüchtlinge den öffentlichen Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit zugerechnet werden können.

 

Insgesamt beliefen sich die öffentlichen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit (ODA) der 30 Mitglieder des OECD-Entwicklungshilfeausschusses (DAC) 2018 auf 153 Mrd. USD, erhoben nach einer neuen, genaueren Subventionsäquivalenz-Methode zur Einbeziehung von Krediten. Gemäß der in der Vergangenheit angewandten Cashflow-Messung betrug die ODA 149,3 Mrd. USD, was einem realen Rückgang von 2,7 Prozent im Vergleich zu 2017 entspricht. Ohne die im Aufnahmeland aufgewendeten Mittel für Flüchtlinge war die ODA von 2017 auf 2018 stabil.

Legt man die Berechnungen auf Cashflow-Basis zugrunde, so zeigt sich, dass die bilaterale ODA für die am wenigsten entwickelten Länder von 2017 auf 2018 real um 3 Prozent zurückgegangen ist, die Hilfe für Afrika um 4 Prozent und die humanitäre Hilfe um 8 Prozent. 2018 stiegen die Zahlungen aus der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit in 17 Geberländern, wobei die größten Zuwächse in Ungarn, Island und Neuseeland zu verzeichnen waren. Die Zahlungen von ODA-Mitteln gingen in 12 Ländern zurück, was zum Teil auf weniger Flüchtlingsströme zurückzuführen ist, wobei die stärksten Rückgänge in Österreich, Finnland, Griechenland, Italien, Japan und Portugal zu verzeichnen waren.

„Dieses Bild stagnierender öffentlicher Mittel ist besonders beunruhigend, da auch die privaten Mittel rückläufig sind“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. „Die Geberländer halten ihre Zusage aus dem Jahr 2015 nicht ein, die Entwicklungsfinanzierung zu erhöhen. Damit laufen wir Gefahr, die Ziele für nachhaltigen Entwicklung (SDGs) für 2030 nicht zu erreichen“.

Nach der aktuellen Berechnungsmethode liegt die ODA-Quote für 2018 bei 0,31 Prozent des kombinierten Bruttonationaleinkommens der DAC-Geberländer und damit deutlich unter dem Zielwert von 0,7 Prozent ODA zu BNE. Fünf DAC-Mitglieder – Dänemark, Luxemburg, Norwegen, Schweden und das Vereinigte Königreich – erreichten oder übertrafen das Ziel von 0,7 Prozent. Nicht-DAC-Geberländer Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate, deren ODA nicht zum DAC-Gesamtwert gerechnet wird, stellten 1,10 bzw. 0,95 Prozent ihres BNE als Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung.

Die aktuellen ODA-Daten stehen neben den Ergebnissen des jüngsten OECD-Global Outlook on Financing for Sustainable Development, wonach ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsländern im Zeitraum 2016-17 um rund ein Drittel zurückgegangen sind, nachdem die gesamte externe Finanzierung von 2013-2016 um 12 Prozent gesunken war.

Die mit der Veröffentlichung der ODA-Zahlen 2018 implementierte Subventionsäquivalenz-Methode wurde 2014 vom DAC vereinbart und soll einen realistischeren Vergleich zwischen Zuschüssen, die 83 Prozent der bilateralen ODA im Jahr 2018 ausmachten, und Darlehen ermöglichen, die für 17 Prozent der ODA stehen.

Während bisher der volle Nennwert eines Darlehens als ODA gezählt und die Tilgungen später Schritt für Schritt abgezogen wurden, bezieht sich die Subventionsäquivalenz-Methodik nur auf den „Zuschussanteil“ oder den Betrag, den der Anbieter durch Kredite unter Marktzins verschenkt, der dann als ODA gilt. Die Kreditparameter sind so festgelegt, dass die Geberländer fortan nur noch Kredite an arme Länder zu sehr großzügigen Konditionen vergeben können. Die neuen zuwendungsäquivalenten Zahlen sind nicht mit historischen ODA-Daten vergleichbar.

„Weniger Mittel stehen für die am wenigsten entwickelten und afrikanischen Länder zur Verfügung, wo sie am dringendsten benötigt werden. Das ist beunruhigend“, sagte die DAC-Vorsitzende Susanna Moorehead. „Die neuen Daten nach der Subventionsäquivalenz-Methode liefern ein genaueres und transparenteres Bild der Geberanstrengungen.  Sie soll auch Anreize für die Geberländer schaffen, die am meisten vergünstigten Kredite und mehr Zuschüsse an die Länder zu vergeben, die sie am meisten benötigen.“

Die neue Methodik betrifft hauptsächlich Länder mit einem hohen Anteil an Mitteln, die als Darlehen vergeben werden, wie Japan (dessen nach der Subventionsäquivalenz-Methode berechneten ODA um 41 Prozent höher liegt als nach der Cashflow-Messung), Portugal (um 14 Prozent höher), Spanien (um 11 Prozent höher), Deutschland (um 3,5 Prozent niedriger) sowie Frankreich, Korea und Belgien (jeweils um 3 Prozent niedriger). Sie betrifft kaum ODA-Daten für Länder, die den Großteil ihrer Hilfe als Zuschüsse bereitstellen.

Die jährliche ODA-Statistik der OECD umfasst öffentliche Mittel, die die DAC-Geberländer für die Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen. Die OECD erhebt auch die Mittel einiger Nicht-DAC-Länder und privater Stiftungen. Auf die vorläufigen Daten im April eines jeden Jahres folgen endgültige und detaillierte ODA-Statistiken am Ende eines jeden Jahres mit einer detaillierten geografischen und sektoralen Aufschlüsselung.

Die öffentliche Entwicklungshilfe macht über zwei Drittel der Außenfinanzierung der am wenigsten entwickelten Länder aus. Der DAC drängt darauf, dass die ODA besser als Hebel genutzt wird, um private Investitionen und inländische Steuereinnahmen in armen Ländern zu generieren, um so zur Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung beizutragen.

Mehr Informationen von der OECD dazu:

– Detaillierter Text zu den ODA-Daten 2018: www.oecd.org/dac/financing-sustainable-development/development-finance-data/ODA-2018-detailed-summary.pdf

– Vollständige Datentabellen für die ODA 2018: www.oecd.org/dac/financing-sustainable-development/development-finance-data/ODA-2018-complete-data-tables.pdf

Weitere Informationen zur ODA

– Alle OECD-Hilfsdaten, einschließlich Grafiken zu Gebern und Empfängern seit 1960: http://oe.cd/fsd-data

– Mehr zur Entwicklungsfinanzierung: http://oe.cd/fsd

– Die offizielle DAC-Liste der ODA-Empfängerländer

Handel(n) gegen den Hunger | Ringvorlesung der Universität Hamburg, 09. April – 25. Juni 2018

Karsten Weitzenegger organisiert mit SID Hamburg

Handel(n) gegen den Hunger
Ringvorlesung der Universität Hamburg, 09. April – 25. Juni 2018

Montags, 18-20 Uhr, Edmund-Siemers-Allee 1, Flügel West, Raum 221
Unter welchen (welt)wirtschaftlichen Bedingungen gelingt Armutsminderung und was können wir konkret dazu beitragen?
Weitere Informationen: www.sid-hamburg.de/ringvorlesung2018

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Moderne Sklaverei und Kinderarbeit bedrohen Entwicklungsziele #SDG8.7

Weltweit leben 40 Millionen Menschen in moderner Sklaverei und 152 Millionen Kinder müssen arbeiten

Neue Daten der ILO zeigen, dass die Nachhaltige Entwicklungsagenda 2030 der Vereinten Nationen, insbesondere das Ziel 8.7 nicht erreicht wird, ohne dass der Kampf gegen neue Formen der Sklaverei und Kinderarbeit verstärkt wird.

Die neuen Daten wurden zur Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York präsentiert. Demnach waren im Jahr 2016 mehr als 40 Millionen Menschen Opfer von modernen Formen der Sklaverei.

Die ILO hat zudem Schätzungen zur Kinderarbeit veröffentlicht, die bestätigen, dass 152 Millionen Kinder im Alter zwischen fünf und siebzehn Jahren Kinderarbeit leisten.

Die Zahlen zeigen, dass Frauen und Mädchen mit 29 Millionen oder 71 Prozent überproportional häufig von moderner Sklaverei betroffen sind. Frauen sind zudem zu 99 Prozent Opfer von Zwangsarbeit in der kommerziellen Sexindustrie. 84 Prozent erleiden Zwangsheiraten.

Die Forschungen belegen, dass unter den 40 Millionen Opfern der modernen Sklaverei, 25 Millionen in Zwangsarbeit leben. 15 Millionen wurden zwangsverheiratet.

Kinderarbeit konzentriert sich hauptsächlich in der Landwirtschaft (70,9 Prozent). Fast eines von fünf Kinderarbeitern arbeitet für Dienstleister (17,1 Prozent) und 11,9 Prozent sind in der Industrie zu finden.

Die globalen Schätzungen tragen dazu bei, neue Lösungsvorschläge auf den Weg zu bringen, damit Zwangsarbeit und Menschenhandel der Vergangenheit angehören.“

Guy Ryder, ILO Director-General

ILO-Generaldirektor Guy Ryder sagte zur Veröffentlichung der Studien: „Die Botschaft, die die ILO heute zusammen mit ihren Partnern – der Alliance 8.7 – verkündet ist eindeutig: Wenn wir unsere Bemühungen im Kampf gegen diese Geißel der Menschheit nicht grundlegend verstärken, wird die Weltgemeinschaft nicht in der Lage sein, die nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen. Die globalen Schätzungen tragen dazu bei, neue Lösungsvorschläge auf den Weg zu bringen, damit Zwangsarbeit und Menschenhandel der Vergangenheit angehören.“

Andrew Forrest, Vorsitzender und Gründer der Walk Free Stiftung kommentierte: „Die Tatsache, dass sich immer noch 40 Millionen Menschen jeden Tag in moderner Sklaverei befinden, sollte uns die Schamesröte ins Gesicht treiben. Moderne Sklaverei betrifft Kinder, Frauen und Männer weltweit. Dies dokumentiert die tiefgreifende Diskriminierung und Ungleichheit in der Welt, gepaart mit einer schockierenden Toleranz für Ausbeutung. Wir müssen das stoppen. Wir alle können dazu beitragen diese Realität zu ändern – in der Geschäftswelt, Regierung, Zivilgesellschaft und als Einzelner.“

Zu den Daten

Die neuen globalen Schätzungen sind das kollektive Ergebnis aller Mitglieder der Alliance 8.7, eine globale Partnerschaft zur Beendigung von Zwangsarbeit, moderner Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit. Sie bringt Vertreter von Regierungen, UN Sonderorganisationen, den Privatsektor, Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie der Zivilgesellschaft zur Erreichung des Ziels 8.7 der nachhaltigen Entwicklungsagenda zusammen.

Die Daten sind in zwei Berichten veröffentlicht:

Definitionen

Moderne Sklaverei: Geschätzt sind 40 Millionen Menschen in moderner Sklaverei gefangen. Frauen und Mädchen sind überproportional betroffen, mit fast 29 Millionen oder 71 Prozent. Eines von vier Opfern der modernen Sklaverei ist ein Kind, insgesamt sind geschätzte 10 Millionen Kinder betroffen. 37 Prozent von den zur Heirat gezwungenen, sind Kinder.

Zwangsarbeit: 2016 befanden sich geschätzte 25 Millionen Menschen in Zwangsarbeit. Von diesen finden sich 16 Millionen Menschen in ausbeuterischer Zwangsarbeit im Privatsektor, beispielsweise als Hausangestellte, auf dem Bau oder in der Landwirtschaft. Geschätzte fünf Millionen Menschen arbeiten in Zwangsverhältnissen der sexuellen Ausbeutung. Mehr als vier Millionen Menschen, oder 16 Prozent, befinden sich in Zwangsarbeitsverhältnissen, die ihnen von staatlichen Strukturen aufgenötigt werden.

Zwangsheirat: 2016 lebten geschätzte 15,4 Millionen Menschen in einer Zwangsheirat. Von diesen fallen 6,5 Millionen Fälle in die letzten fünf Jahre (2012-1016), die verbleibenden Menschen wurden vor dieser Zeit zwangsverheiratet und sind es bis heute. Mehr als ein Drittel aller Opfer von Zwangsheiraten sind Kinder und fast alle Opfer sind Mädchen.

Kinderarbeit: 152 Millionen – 64 Millionen Mädchen und 88 Millionen Jungen – unterliegen der Kinderarbeit. Das entspricht fast eines von zehn Kindern weltweit. Die höchste Zahl von Kinderarbeitern zwischen fünf und 17 Jahren findet sich in Afrika (72,1 Millionen Kinder), gefolgt von Asien und dem Pazifik (62 Millionen Kinder), dem amerikanischen Kontinent (10,7 Millionen Kinder), Europa und Zentralasien (5,5 Millionen Kinder) und den arabischen Staaten (1,2 Millionen Kinder). Geschätzt ein Drittel der Kinder im Alter zwischen fünf und 14 Jahren, die Kinderarbeit verrichten, gehen nicht zur Schule. 38 Prozent der Kinder in diesem Alter befinden sich in gefährlicher Arbeit und fast zwei Drittel von ihnen im Alter von 15-17 Jahre arbeiten mehr als 43 Stunden in der Woche.

Quelle und Foto: ILO

Der Weg zum Glück führt über Gesundheit und einen guten Arbeitsplatz | OECD Better Life Index

Paris/Berlin, 31. Mai 2016 (OECD) – Gesund zu sein und eine gute Arbeit zu haben sind zwei der wichtigsten Kriterien, damit das eigene Leben als erfüllend wahrgenommen wird. Dies geht aus den neuesten Daten des OECD Better Life Index (BLI) hervor, die heute veröffentlicht wurden. Der BLI wird in 38 Ländern erhoben und misst das Lebensgefühl in elf Dimensionen: Wohnverhältnisse, Beschäftigung, Bildung, Zivilengagement, Lebenszufriedenheit, Work-Life-Balance, Einkommen, Gemeinsinn, Umwelt, Gesundheit und Sicherheit. Es zeigt sich, dass ein Land mit einer starken Wirtschaft nicht zwangsläufig auch in den Dimensionen des BLI gut abschneidet.

Am höchsten ist die Lebenszufriedenheit generell in den skandinavischen Ländern, gefolgt von der Schweiz, Neuseeland, Kanada und Australien. Diese Länder haben gemeinsam, dass sie in den Bereichen Beschäftigung, Qualität der Beschäftigung und Gesundheit die besten Ergebnisse erzielen. In Ländern mit der niedrigsten Lebenszufriedenheit liegen das Beschäftigungsniveau und meist auch die Lebenserwartung unter dem OECD-Durchschnitt.

Einen positiven Einfluss auf die Lebenszufriedenheit haben außerdem ein starkes soziales Netzwerk, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben und ein hohes Gefühl von Sicherheit. Die nordischen Länder schneiden hier ebenfalls gut ab, aber auch Spanien, wo 96 % der Bürger sagen, dass es jemanden gibt, auf den sie sich verlassen können.

Zwischen den Geschlechtern ist der Unterschied in puncto Lebenszufriedenheit gering. Betrachtet man jedoch das Ausbildungsniveau, so fällt auf, dass Menschen mit einem Universitätsabschluss eher mit ihrem Leben zufrieden sind als Menschen mit ausschließlich primärer Ausbildung.

Der Better Life Index in Deutschland

Deutschland schneidet im beim Better Life Index im Vergleich zu anderen Ländern relativ gut ab. Die Lebenszufriedenheit hält sich auf einem konstant hohen Niveau, die Beschäftigungslage ist sehr gut, und auch in den Bereichen Gesundheit und Bildung schneidet Deutschland überdurchschnittlich ab. Auffällig ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinander geht. Auch bei der politischen Partizipation ist diese Lücke erkennbar. Bei den jüngsten Wahlen lag die Beteiligung im Fünftel mit dem höchsten Einkommen bei ca. 77 %, während es in der untersten Einkommensgruppe nur ca. 58 % waren.

BLI GIF

Der Better Life Index in Österreich und in der Schweiz

Die Schweiz nimmt im Better Life Index einen Spitzenplatz ein, vor allem mit Blick auf Lebenszufriedenheit, Sicherheit, Gesundheit und Beschäftigung. Das verfügbare Haushaltseinkommen ist im Vergleich zum Vorjahr um fast 2000 US-Dollar auf 35.952 US-Dollar pro Jahr gestiegen Damit hat die Schweiz nach den Vereinigten Staaten die finanziell wohlhabendsten Bürger. Österreich schneidet in dem Bereichen Sicherheit und Beschäftigung vergleichsweise gut ab. In den übrigen Bereichen liegen die Werte um den OECD-Schnitt. Die Lebenszufriedenheit bleibt auf hohem Niveau, und das Einkommen der Haushalte ist gegenüber dem Vorjahr weiter gestiegen.

Südafrika und Lettland sind 2016 zum ersten Mal im Better Life Index vertreten. Bisher haben rund 110.000 Menschen in 180 Ländern von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf der BLI-Webseite ihre persönlichen Präferenzen für ein gutes Leben zu teilen. Insgesamt haben die Teilnehmer Lebenszufriedenheit, Gesundheit und Bildung als wichtigste Faktoren genannt. Trotzdem gibt es regionale Unterschiede. In Lateinamerika ist Bildung die wichtigste Dimension, während in Nordamerika Lebenszufriedenheit und eine gute Work-Life Balance zählen. In Europa wird viel Wert auf Gesundheit, Gemeinsinn und die Umwelt gelegt.

OECD Better Life Index www.oecdbetterlifeindex.org/de

Datenquelle http://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=BLI

All On Board: OECD-Bericht über inklusive Messung von Wachstum

All On Board: Making Inclusive Growth Happen

Soziale Ungleichheit untergräbt das Wohl der Menschen, sie behindert das Wirtschaftswachstum und ist doch in vielen Ländern so stark ausgeprägt wie seit Jahrzehnten nicht. Politische Maßnahmen mit dem Ziel, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen, werden nur erfolgreich sein, wenn sie neben der Einkommensverteilung auch den Zugang zu guter Bildung, zu Gesundheit und öffentlichen Infrastrukturen berücksichtigen.

Der OECD-Bericht „All On Board: Making Inclusive Growth Happen“ stellt neue Wege vor, um wirtschaftliches Wachstum zu beurteilen. Dabei geht er über die Verwendung traditioneller monetärer Indikatoren hinaus und rückt das Wohlbefinden der Menschen in den Mittelpunkt. Er greift dabei auf einen analytischen Rahmen zurück, der sich mit mehrdimensionalen Fragen der Lebensqualität beschäftigt.

Direktzugang zur Online-Ausgabe:
www.oecd-ilibrary.org/development/all-on-board_9789264218512-en

OECD-Papier: Einkommensungleichheit beeinträchtigt das Wirtschaftswachstum

Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst

Paris/Berlin, 9. Dezember 2014. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist heute in vielen OECD-Ländern so groß wie seit 30 Jahren nicht mehr. Auch in Deutschland hat sich der Abstand zwischen Arm und Reich seit Mitte der 80er Jahre erhöht: Wie aus einem OECD-Arbeitspapier hervorgeht, verdienten die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung damals fünf Mal so viel wie die ärmsten zehn Prozent. Heute liegt das Verhältnis bei 7:1.

Dem Papier zufolge hatte wachsende Einkommensungleichheit einen merklich negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung. In Deutschland zum Beispiel ist das inflationsbereinigte Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zwischen 1990 und 2010 um etwa 26 Prozent gewachsen. Nach Berechnungen der Autoren hätte das Wachstum bei gleichbleibender Einkommensungleichheit fast sechs Prozentpunkte höher ausfallen können. Noch stärker ist der Effekt in Neuseeland oder Mexiko: Hier kostete die wachsende Ungleichheit die Volkswirtschaften mehr als zehn Prozentpunkte ihres BIP-Wachstums.

Den größten negativen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum hat nicht die Ungleichheit am oberen Ende. Für den ökonomischen Effekt ist vor allem das immer stärkere Auseinanderdriften der ärmsten 40 Prozent vom bessergestellten Rest der Bevölkerung verantwortlich. Ärmere Gruppen investieren in der Regel weniger in Bildung, und das wiederum beeinflusst die soziale Mobilität und die Ausbildung von Kompetenzen im jeweiligen Land.

“Unsere Analyse zeigt, dass wir nur auf starkes und dauerhaftes Wachstum zählen können, wenn wir der hohen und weiter wachsenden Ungleichheit etwas entgegensetzen“, sagte OECD General-Sekretär Angel Gurría. „Der Kampf gegen Ungleichheit muss in das Zentrum der politischen Debatte rücken. Wachsen und gedeihen werden vor allem jene Länder, die alles daran setzen, dass ihre Bürger von klein auf gleiche Chancen haben.“

Arme erlangen weniger Bildung

Die Studie liefert Belege dafür, dass steigende Ungleichheit das Wirtschaftswachstum hauptsächlich dadurch bremst, dass Kinder aus sozial schwächeren Familien weniger Bildungschancen haben. Im OECD-Durchschnitt liegen die Bildungsleistungen von Kindern, deren Eltern geringgebildet sind, unter denen von Eltern mit mittlerer oder hoher formaler Bildung. In Ländern, in denen darüber hinaus die Einkommen ungleicher verteilt sind, verschlechtern sich die Ergebnisse dieser Kinder wesentlich. Für die Bildungsleistungen von Kindern mittelgut oder gut gebildeter Eltern spielt steigende Einkommensungleichheit dagegen kaum eine Rolle.

Ein ähnliches Phänomen lässt sich bei der Bildungsbeteiligung beobachten, die bei Menschen mit sozial schwachem Hintergrund abnimmt – und zwar noch einmal erheblich stärker in Ländern mit höherer Ungleichheit. Generell betrifft diese „Investitionslücke in Bildung“ weit mehr als nur die ärmsten Mitglieder einer Gesellschaft. Auch die untere Mittelklasse zeigt ähnliche Muster. Es ist deshalb nicht genug, allein jene Schichten der Bevölkerung zu fördern, die am schlechtesten gestellt sind. Mindestens ebenso wichtig, wie monetäre Unterstützung ist ein verbesserter Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und Weiterbildung sowie zu Gesundheitsdienstleistungen.

In diesem Zusammenhang weist die Studie darauf hin, dass Umverteilung mittels Steuern und Transfers nicht zwangsläufig wachstumsschädlich ist, solange entsprechende Maßnahmen zielgenau angewandt werden. Eine solche Verteilungspolitik müsse sich vor allem auf Familien mit Kindern sowie auf junge Menschen konzentrieren und deren Lernchancen verbessern.

Download: Trends in Income inequality and its impact on economic growth

Die Globalisierung der Wirtschaft: Ursprünge und Auswirkungen | OECD Insights

Kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert wie Globalisierung. Fördert sie Entwicklung oder kreiert sie Ungleichheit? Schafft sie neue Arbeitsplätze oder vernichtet sie Jobs? Schadet sie der Umwelt oder bietet sie neue Möglichkeiten, die Umwelt besser zu schützen? Ist die voranschreitende Globalisierung der Grund für die finanzielle Instabilität oder trägt sie dazu bei, Investitionen effizienter zu gestalten?

Die aktuelle Veröffentlichung der „OECD Insights“-Reihe diskutiert diese Fragen im Zusammenhang mit der jüngsten Krise sowie der Geschichte der globalen, wirtschaftlichen Integration. Der Bericht untersucht, welche Bedeutung die immer stärkere Vernetzung von Märkten und Volkswirtschaften für uns alle hat und versucht abzuschätzen, wie die Globalisierung sich im Licht der jüngsten Ereignisse entwickeln wird. Die 2013 veröffentlichte OECD-Studie „Economic Globalisation“ ist jetzt auf Deutsch erschienen.

Die wirtschaftliche Globalisierung im weiteren Sinne kann auf eine nahezu genauso lange Geschichte zurückblicken wie der internationale Handel selbst. Sie entwickelte sich aus dem Zusammentreffen des Unternehmergeists von Kaufleuten, die jenseits der Grenzen ihrer Herkunftsländer nach neuen Absatzmärkten suchten, mit dem Fortschritt der Verkehrsund Kommunikationstechnik sowie dem zu bestimmten Zeitpunkten der Geschichte zu beobachtenden Bestreben der Regierenden, den Handel mit dem Ausland auszuweiten. Diese verschiedenen Faktoren kamen im Lauf der Jahrhunderte unterschiedlich stark zum Ausdruck.

Die Globalisierung begünstigte zunächst die Entwicklung der Industrieländer und dann, in den letzten zwanzig Jahren, die der aufstrebenden Volkswirtschaften. Während einige Entwicklungsländer in die Fußstapfen der aufstrebenden Volkwirtschaften treten, sind andere an den Rand gedrängt oder durch die Öffnung gegenüber den Weltmärkten geschwächt worden. Die weltweite extreme Armut ist zwar zurückgegangen, sie ist aber in bestimmten Regionen nach wie vor tief verwurzelt. In vielen Ländern haben die Ungleichheiten zugenommen. Die Globalisierung kann die Entwicklung nur fördern, wenn bestimmte politische Voraussetzungen gegeben sind.

Die Globalisierung hat dazu beigetragen, die großen Umweltschäden, mit denen wir heute konfrontiert sind, zu verschärfen, selbst wenn sie nur indirekt dafür verantwortlich ist. Manche nationalen, regionalen und internationalen Politikmaßnahmen haben die negativen Auswirkungen der Globalisierung auf die Umwelt abgeschwächt. Einige Lösungen sind auch in den Mechanismen der Globalisierung selbst zu finden. Politische Regulierungen und Anreize sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung, entsprechen aber bisher noch nicht der Tragweite und Dringlichkeit der Herausforderungen.

Weitere Informationen und Bezugsquellen finden Sie unter:
www.oecd.org/berlin/publikationen/globalisierung.htm

Bericht über die menschliche Entwicklung 2014 fordert soziale Grundversorgung: 2,2 Milliarden Menschen arm oder armutsgefährdet

2,2 Milliarden Menschen sind arm oder nahezu arm, warnt der Bericht über die menschliche Entwicklung 2014 zum Thema Anfälligkeit und Widerstandskraft Ruf nach der Bereitstellung einer universellen sozialen Grundversorgung und wirksameren Konzepten für soziale Sicherung und Vollbeschäftigung, um Entwicklungsfortschritte zu fördern und zu sichern.

Anhaltende Vulnerabilität bedroht die menschliche Entwicklung. Wenn ihr nicht mit Handlungskonzepten und sozialen Normen systematisch entgegengewirkt wird, wird der Fortschritt weder ausgewogen noch nachhaltig sein. Dies ist die Kernaussage des Berichts über die menschliche Entwicklung 2014, der gestern in Tokyo vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) vorgestellt wurde.

Der Bericht mit dem Titel „Den menschlichen Fortschritt dauerhaft sichern: Anfälligkeit verringern, Widerstandskraft stärken“ bietet eine neue Perspektive auf das Problem der Vulnerabilität und schlägt Wege zur Stärkung der Widerstandskraft vor.

Einkommensbasierten Messungen von Armut zufolge müssen 1,2 Milliarden Menschen ihren Lebensunterhalt mit 1,25 US-Dollar oder weniger pro Tag bestreiten. Die jüngsten Schätzungen des Indexes der mehrdimensionalen Armut von UNDP besagen jedoch, dass fast 1,5 Milliarden Menschen in 91 Entwicklungsländern von überlappenden Formen von Mangelerscheinungen in Bezug auf Gesundheit, Bildung und Lebensstandard betroffen sind. Wenngleich die Armut überall zurückgeht, laufen fast 800 Millionen Menschen Gefahr, bei Rückschlägen in die Armut zurückzufallen. „Durch die Verringerung von Anfälligkeiten können alle Menschen am Entwicklungsfortschritt teilhaben, und die menschliche Entwicklung wird zunehmend ausgewogener und nachhaltiger werden“, erklärte Helen Clark, die Administratorin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen.

Der Bericht über die menschliche Entwicklung 2014 erscheint in einer wichtigen Phase, in der sich die Aufmerksamkeit auf die Gestaltung einer neuen Entwicklungsagenda nach dem Ablauf der Frist für die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele im Jahr 2015 richtet.
Fortschrittshindernisse beseitigen

Weil sich Krisen immer weiter und rascher ausbreiten, ist es dem Bericht zufolge von entscheidender Bedeutung, Vulnerabilität zu verstehen, um Zugewinne zu sichern und Fortschritte aufrechtzuerhalten.

Er verweist auf langsamere Zuwächse bei der menschlichen Entwicklung in allen Regionen, gemessen anhand des Indexes der menschlichen Entwicklung (HDI). Er warnt, dass Bedrohungen wie Finanzkrisen, Schwankungen der Nahrungsmittelpreise, Naturkatastrophen und gewaltsame Konflikte den Fortschritt signifikant behindern.

„Ein zentrales Ziel der Post-2015-Entwicklungsagenda muss sein, nicht nur die Armut an sich, sondern auch die Anfälligkeit der Menschen für das Abgleiten in Armut zu verringern“, heißt es in dem Bericht. „Beseitigung der extremen Armut bedeutet nicht nur, sie abzuschaffen; es muss auch sichergestellt werden, dass dies so bleibt.“

Aus der Perspektive der menschlichen Entwicklung fragen, wer anfällig ist und warum

„[Die] Verringerung [von Vulnerabilität] ist ein wichtiger Bestandteil einer jeden Agenda zur Verbesserung menschlicher Entwicklung“, schreibt Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in einem Beitrag für den Bericht. „[Wir müssen] dafür einen breit angelegten systemischen Ansatz wählen.“
Der Bericht des Jahres 2014 verfolgt einen solchen Ansatz, indem er Vulnerabilität aus dem Blickwinkel der menschlichen Entwicklung als überlappendes und einander verstärkendes Bündel von Risiken neu auslotet.

Er untersucht strukturelle Anfälligkeiten, das heißt solche, die infolge von Diskriminierung und institutioneller Defizite seit Langem bestehen, sich verschärft haben und Gruppen wie den Armen, Frauen, Migranten, Personen mit Behinderungen, Angehörigen indigener Gruppen und älteren Menschen schaden. Beispielsweise haben 80 Prozent der älteren Menschen auf der Welt keine soziale Sicherung, wobei sehr viele Ältere zusätzlich arm und behindert sind.
Der Bericht führt auch das Konzept der Verwundbarkeiten im Laufe des Lebens ein – also die besonders neuralgischen Phasen im Leben, in denen Schocks größere negative Auswirkungen haben können. Dazu zählen die ersten 1.000 Lebenstage und die Übergänge von der Schule in den Beruf sowie vom Beruf in den Ruhestand.

„Die Befähigungen, die der Mensch im Verlauf seines Lebens erwirbt, müssen gehegt und gepflegt werden, sonst können sie stagnieren oder sogar abnehmen“, heißt es warnend. „Sie werden beeinflusst durch Investitionen, die in früheren Lebensphasen vorgenommen wurden. Auch die Belastung durch kurzfristige Schockereignisse kann langfristige Folgen nach sich ziehen.“
Beispielsweise wurde in einer in dem Bericht zitierten Studie gezeigt, dass arme Kinder in Ecuador bereits im Alter von sechs Jahren Nachteile hinsichtlich ihres Wortschatzes haben.
Frühzeitige Maßnahmen – wie Investitionen in die frühkindliche Entwicklung – sind deshalb dem Bericht zufolge besonders wichtig.

Für arme Länder ist eine universelle soziale Grundversorgung erschwinglich

Der Bericht plädiert für die universelle Bereitstellung einer sozialen Grundversorgung zur Stärkung der Widerstandskraft und widerspricht der Vorstellung, dass dies nur für reiche Länder erschwinglich ist. Er präsentiert eine vergleichende Analyse von Ländern mit unterschiedlichen Einkommensniveaus und Regierungssystemen, die mit der Umsetzung einer solchen Politik entweder begonnen oder sie bereits vollständig abgeschlossen haben.

Zu diesen Ländern zählen nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ wie Dänemark, Norwegen und Schweden, sondern auch rasch wachsende Volkswirtschaften wie die Republik Korea und Entwicklungsländer wie Costa Rica.

„All diese Länder begannen, Maßnahmen zur Sozialversicherung zu ergreifen, als ihr BIP pro Kopf niedriger war als derzeit in Indien und Pakistan“, so der Bericht.

„Es könnte jedoch Fälle geben, in denen das Gebot der Chancengleichheit eine Ungleichbehandlung notwendig macht“, erläutert Khalid Malik, Direktor des Büros für den Bericht über die menschliche Entwicklung von UNDP. „Vielleicht müssen für die Armen, die Ausgeschlossenen und die Marginalisierten mehr Ressourcen und Dienste bereitgestellt werden, wenn die Verwirklichungschancen und Lebensentscheidungen aller Menschen verbessert werden sollen.“

Vollbeschäftigung wieder ganz oben auf die globale Politikagenda setzen

Der Bericht fordert die Regierungen auf, sich wieder das Ziel der Vollbeschäftigung zu eigen zu machen, ein Kernelement der makroökonomischen Politik der 1950er und 1960er Jahre, das nach den Ölpreisschocks von konkurrierenden Politikzielen abgelöst wurde.

Er argumentiert, dass Vollbeschäftigung mit sozialem Nutzen wie der Förderung von sozialer Stabilität und gesellschaftlichem Zusammenhalt einhergeht, der private Vorteile übertrifft.
In Anerkennung der Schwierigkeiten, vor denen Entwicklungsländer bei der Verwirklichung von Vollbeschäftigung stehen, drängt er zur Fokussierung auf einen Strukturwandel, „durch den die meisten Beschäftigten allmählich in den formellen Sektor einbezogen werden“, einschließlich eines Übergangs von der Landwirtschaft zu Industrie und Dienstleistungen mit unterstützenden Investitionen in Infrastruktur und Bildung.

Soziale Sicherung lässt sich in frühen Entwicklungsphasen verwirklichen

Die Mehrheit der Weltbevölkerung hat keine soziale Sicherung wie Renten und Arbeitslosenversicherung. Dem Bericht zufolge können solche Maßnahmen von Ländern auf allen Entwicklungsstufen verwirklicht werden.

„Die Bereitstellung von sozialer Grundsicherung für die Armen weltweit würde schätzungsweise weniger als zwei Prozent des globalen BIP kosten“, wird bekräftigt. Es werden Kostenschätzungen für die Bereitstellung einer sozialen Grundsicherung für 12 afrikanische und asiatische Länder mit niedrigem Einkommen angestellt – einschließlich allgemeiner Alters- und Invalidengrundrenten, Kindergeld, eines allgemeinen Zugangs zu unentbehrlicher Gesundheitsversorgung, Sozialhilfe und eines Arbeitsbeschaffungsprogramms für 100 Tage –, die von etwa 10 Prozent des BIP in Burkina Faso bis zu weniger als 4 Prozent des BIP in Indien reichen.

„Grundlegende soziale Sicherung ist bezahlbar, wenn Länder mit niedrigem Einkommen Mittel umwidmen und bei gleichzeitiger Unterstützung durch die internationale Gebergemeinschaft eigene Finanzmittel aufbringen“, wird erläutert.

Es bedarf kollektiver Anstrengung und koordinierten Handelns auf der globalen Ebene
In dem Bericht werden zudem nachdrücklicheres kollektives Handeln sowie eine bessere globale Koordinierung und mehr Engagement zur Stärkung der Widerstandskraft als Reaktion auf Anfälligkeiten gefordert, die zunehmend globaler Natur sind, was ihren Ursprung und ihre negativen Auswirkungen betrifft.

Die Bedrohungen reichen von Finanzkrisen bis zu Klimaänderungen und von Konflikten bis zu Flüchtlingsströmen. Sie sind ihrem Wesen nach oftmals transnational, wirken sich aber auf der lokalen und nationalen Ebene aus und überlappen einander häufig. Ein Beispiel ist der Niger, der nach aufeinanderfolgenden Dürren von schwerwiegenden Nahrungsmittel- und Ernährungskrisen betroffen war. Mitten in einer Nahrungsmittelkrise, die auch andere Länder in der Region in Mitleidenschaft zog, musste das Land die zusätzliche Herausforderung der Aufnahme von Tausenden von Menschen bewältigen, die vor dem Konflikt im benachbarten Mali geflohen waren.

Transnationale Bedrohungen können nicht von unabhängig handelnden einzelnen Nationen gelöst werden. Laut dem Bericht erfordern sie eine neue Form des Engagements der internationalen Gemeinschaft, das über kurzfristige Reaktionen wie humanitäre Hilfe hinausgeht.

Um die Unterstützung für nationale Programme zu mehren und Ländern politischen Handlungsspielraum zur Anpassung des universalistischen Prinzips an die speziellen Bedingungen vor Ort zu verschaffen, wird in dem Bericht „ein internationaler Konsens über universelle soziale Sicherung“ als Teil der Post-2015-Agenda gefordert.

Über diesen Bericht

Der Bericht über die menschliche Entwicklung ist eine unabhängige Veröffentlichung des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen. Der Bericht über die menschliche Entwicklung 2014 und zusätzliche Hintergrundmaterialien zu den darin präsentierten Indizes und konkreten regionalen Konsequenzen können von der Website http://hdr.undp.org kostenlos heruntergeladen werden.

Bericht über die menschliche Entwicklung 2014
„Den menschlichen Fortschritt dauerhaft sichern: Anfälligkeit verringern, Widerstandskraft stärken“

Deutsch: http://www.dgvn.de/…/HDR_2014 Deutschsprachiges Material zum Bericht auch auf www.dgvn.de.

English: Human Development Report 2014 | Weitere Sprachen