Nachhaltige Entwicklungsziele umsetzen – Frauen machen den Anfang

Hamburg, 22.10.2015 (weitzenegger.de) Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) erfordern Handeln auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene. Die neuen Ziele haben für Frauen auf der ganzen Welt Bedeutung. Die Zivilgesellschaft muss globale Zukunftsfähigkeit auf allen Ebenen durchsetzen. Dies war der Ansatz einer Veranstaltung des Marie-Schlei-Vereins in Kooperation mit dem Eine Welt Netzwerk Hamburg, dem Zukunftsrat Hamburg und der W3 – Werkstatt für internationale Kultur und Politik. Die Frauen in Hamburg wollen sich nun jährlich über die Umsetzung der SDG beraten.

sdg500Die Chance zur Stärkung internationaler Kooperation nutzen

Dr. Imme Scholz, stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, stellte die Herausforderungen der 2030-Agenda in einer Präsentation (http://www.ewnw-hamburg.de/sites/default/files/Scholz%20Hamburg%20Oktober.pdf) aus Sicht der Wissenschaft dar. Demnach ist ein fundamentaler Wandel im gekoppelten Stoffwechsel von Natur und Gesellschaft nötig. Die Politik versteht und berücksichtigt aber die langfristige Zeitdimension kaum, eine kurzfristige Orientierung dominiert.

Es kommt darauf an, Ungleichheiten zu verringern, die globalen Lasten fair zu verteilen und im Transformationsprozess Verantwortung zu übernehmen. Die SDG sind ein ausgehandelter Kompromiss, der reale politische Konflikte über Entwicklungsleitbilder wiederspiegelt. Risiken seien die Spannungen und Widersprüche zwischen den Zielen, die vage Formulierung und der unzureichende Fokus auf die Armen. Das Gender-Ziel sei besonders schwach formuliert.

Deutschland kann kein globales Problem allein lösen. Auch wenn Deutschland komplett auf erneuerbare Energie umstellt, stoppt das nicht den Klimawandel. Kooperation über Kontinente und Interessengruppen hinweg ist unverzichtbar.

podium500Frauen sorgten für sinnvolle Ziele

Prof. Dr. h.c. Christa Randzio-Plath, Vorsitzende des Marie-Schlei-Vereins und VENRO-Vorstand, berichtete von teils guter Beteiligung der Zivilgesellschaft am Entstehungsprozess der SDG. Die Agenda sei ein „besserer Kompromiss, als wir alle erwartet haben.“ Insbesondere das High-Level Panel war offen für Dialog mit NRO, Gewerkschaften und sonstigen Interessengruppen. Es hat die Botschaft „Niemand wird zurückgelassen“ übernommen. Die Vollständigkeit der 17 Ziele musste von der Zivilgesellschaft verteidigt werden, vor allem, um die Ziele Frieden, Geschlechtergerechtigkeit und Bekämpfung der Ungleichheit zu verankern. Die EU hatte eine konstruktive Rolle für das Ziel Gute Arbeit.

Die Women‘s Major Group (www.womenmajorgroup.org) konnte einige Punkte aus der Pekinger Aktionsplattform unterbringen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen werden Verpflichtungen der Staats-und Regierungschefs gegenüber der Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung von Frauen und Mädchen gemacht. Auch Deutschland ist aufgefordert, die Gleichstellung von Mann und Frau (50:50) bis zum Jahre 2030 durchzusetzen. Die „Ressource Frau“ ist als großes Potential für Wirtschaftswachstum anerkannt. Das politische und wirtschaftliche Empowerment von Frauen ist enthalten. Das Ende der Gewalt gegen Frauen und Zugang zu reproduktiver Gesundheit konnten gegen fundamentalistische Kräfte durchgesetzt werden.

Die 2030-Agenda setzt einen neuen Weltordnungsrahmen, um Weltpolitik kohärent zu machen. Nun gebe es zwar eine gemeinschaftliche Verantwortung und ein fast kohärentes Zielsystem, aber Paradigmenwechsel in der Weltwirtschaft fehlt noch. Gendergerechtigkeit umfasst auch Zugang zu Ressourcen. Leider ist die Finanzierung der Ziele nicht gesichert und auch noch nicht in Sicht.

Bremen stärkt Frauen und junge Menschen – „Global denken, lokal lenken“

Staatsrätin Ulrike Hiller, Bevollmächtigte der Freien Hansestadt Bremen beim Bund, für Europa und Entwicklungszusammenarbeit, betonte die lokale Ebene der SDG, die durch die Flüchtlinge sichtbar werde. In Fortsetzung der Agenda 21 heißt es wieder „global denken, lokal lenken“. Die SDG sein eine Riesenchance, brauchen aber einen partnerschaftlicher Austausch mit allen Weltregionen. Entwicklungspolitik braucht nicht nur den Blick auf Ausland, sondern ist eine Frage an das eigene Leben. Wer weltweit handelt, müsse die Verantwortung dafür genauso wie die eigenen Interessen im Sinn haben.

Bremen trägt wie Hamburg auch den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zum Beitrag der Deutschen Länder zur Post-2015-Agenda für nachhaltige (globale) Entwicklung (http://www.entwicklungspolitik-deutsche-laender.de). Die entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes Bremen (http://www.ez.bremen.de) wurden darauf in einem breiten Beteiligungsprozess gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern sowie entwicklungspolitischen Organisationen in Bremen und Bremerhaven erarbeitet. Gender ist weiterhin als Querschnittsaufgabe zu sehen. Frauen sind durch besondere Lebenssituationen höher sensibel für Fragen des Lebens. Bremen berücksichtigt Belange von Frauen in allen Projekten. In einer Zukunftswerkstatt hat Bremen Fachleuten unter 25 Jahren die Federführung überlassen. Die Jugend habe kein Interesse an theoretischen Diskussionen, „die wollen was tun.“

Debatten und Daten sind nötig – „Es geht um alles“

In der lebhaften Diskussion ging es um die Messung von Indikatoren und ihre begrenzte Aussagekraft. Zum Beispiel sind Daten zur Lebenserwartung nicht aussagekräftig über den Alltag von Frauen. Indikatoren sollen transparent und konkret sein. Die qualitative Messung ist notwendig, um Wechselwirkungen und verursachende Faktoren zu sehen. In Hamburg erhebt der Zukunftsrat seit Jahren Indikatoren zur Nachhaltigkeit (http://www.zukunftsrat.de/publikationen/heinz-seit-2003.html). Das Statistische Bundesamt ist einbezogen, aber das Verständnis fehle in der amtlichen Statistik noch, weil dort zu produktivistisch gedacht wird. Für grundlegende Fragen, z.B. Ungleichheit gibt in beim Statistikamt Nord zu wenige Daten. Noch viele Debatten sind notwendig, auch im deutschen Rat für nachhaltige Entwicklung (http://www.nachhaltigkeitsrat.de).

Die Regierungen bauen die SDGs jetzt in Planungen ein. Die Bundesregierung will dies mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern und Fachkreisen diskutieren und anschließend die nationale Nachhaltigkeitsstrategie fortschreiben. Zur deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 läuft ein Dialog, dessen Verbindlichkeit aber ungewiss ist. Frauen sollten sich jetzt unter http://www.dialog-nachhaltigkeit.de zum Dialogforum in Hamburg am 11. Februar 2016 anmelden, um ihre Position einzubringen.

Weitere Meinungen aus dem Publikum waren, dass Entwicklungsgelder als Belohnung für Flüchtlingsrücknahme unsinnig sind, die Nicht-Finanzierung des UNHCR ein fataler Fehler war, die Vereinten Nationen gestärkt werden müssen und mehr politische Kontrolle der Entwicklungsgelder nötig ist. Zustimmung gab es auch zum Vorschlag, das SDG 8 mit der Postwachstumsdiskussion zu reflektieren.

 

Lage und Perspektiven von Jugendlichen im Nahen Osten und Nordafrika

Neue OECD-Studie: Youth in the MENA Region – How to bring them in 

Paris/Berlin, 17. November 2015 (OEDC) „Youth in the MENA region: How to bring them in“ – dieser neue OECD-Bericht zur Lage der Jugendlichen im Nahen Osten und Nordafrika – der MENA-Region – wird ab heute in Berlin im Rahmen der Deauville-Partnerschaft-Konferenz „A civil society outreach“ im Auswärtigen Amt vorgestellt und diskutiert.

Er skizziert die prekäre ökonomische und soziale Lage der Jugendlichen, die trotz teilweise hoher Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (um 5%) gekennzeichnet ist von hoher Arbeitslosigkeit und oftmals mangelhaftem Zugang zu öffentlichen Leistungen wie Bildung und Gesundheitsversorgung.  Er macht aber vor allem deutlich, dass die Jugendlichen (im Alter von 15-24 Jahren), die im „Arabischen Frühling“ eine führende Rolle inne hatten, heute in formale politische Prozesse der Willensbildung und Entscheidungsfindung nur selten einbezogen sind. Trotz ihrer aktiven Rolle in der Zivilgesellschaft sind sie meist nicht in politischen Parteien organisiert oder an öffentlichen Konsultationsprozessen beteiligt.

Während Jugendliche in den OECD-Ländern im Durchschnitt größeres Vertrauen in die Regierung haben als die Altersgruppe der über 50-jährigen, ist dies bei Jugendlichen aus Ländern der MENA-Region in der Regel nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund unterstreicht der OECD-Bericht die Notwendigkeit, öffentliche Verwaltungsreformen anzustoßen, die es Jugendlichen ermöglichen, aktiv an der politischen Entscheidungsfindung teilzuhaben.

Deutschland hat im Rahmen seiner G7 Präsidentschaft derzeit den Vorsitz der 2011 initiierten Deauville Partnerschaft, deren Ziel es ist, die Transformationsländer der MENA-Region in ihren Reformprozessen politisch und finanziell zu unterstützen.  Im Rahmen der Berliner Konferenz wird die OECD auch über weitere Initiativen informieren, wie:

•    Die Förderung eines regionalen Dialoges zwischen MENA- und OECD-Ländern mit dem Ziel, politische Prozesse und die Regierungsführung offener, transparenter und partizipativer zu gestalten. Die OECD unterstützt MENA-Länder zudem bei der Implementierung von Reformen im Rahmen der Open Government Partnership (OGP).

•    Die bilaterale Zusammenarbeit mit Marokko, Jordanien und Ägypten im Rahmen des G7 Deauville-Partnerschaft Transition Funds zur Beteiligung von Frauen in Parlamenten und politischen Entscheidungsfindung. Die Zusammenarbeit basiert auf den Empfehlungen des OECD-Berichts “Women in Public Life: Gender, Law and Policy in the Middle-East and North Africa”.

Den Bericht und weitere Informationen finden Sie unter www.oecd.org/mena/governance/promoting-youth-inclusion-and-empowerment.htm.