Textilbündnis setzt sich verbindliche Ziele und arbeitet international

Auf seinem Weg in Richtung besserer Arbeitsbedingungen, mehr Umweltschutz und fairen Löhnen in Textil-Lieferketten, geht das Bündnis für nachhaltige Textilien in die nächste Phase: Die ambitionierten Bündnisziele werden von konkreten individuellen Zielvorgaben für alle Mitglieder für den Zeitraum 2018 bis 2020 untermauert. Darüber hinaus wird sich das Bündnis noch stärker international ausrichten und dazu die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern intensivieren.

Der Steuerungskreis des Bündnisses für nachhaltige Textilien hat auf seiner Sitzung am 22. und 23. November 2017 erstmals verbindliche Zeitziele für alle Mitglieder beschlossen. Diese bauen auf den individuellen Maßnahmenplänen auf und gelten für den Zeitraum von 2018 bis 2020. So müssen Mitglieder z.B. eine Risikoanalyse erstellen, Geschäftspartner und Produzenten systematisch erfassen, konkret darauf hinwirken, dass ihre Zulieferer keine giftigen Chemikalien einsetzen und Prozesse etablieren, die Kinder- und Zwangsarbeit verhindern. Weitere Ziele gibt es zu existenzsichernden Löhnen. Das Thema soll im kommenden Jahr ein Schwerpunkt im Bündnis sein.

Neben den individuellen Anforderungen, wurden auch gemeinsame Bündnisziele konkretisiert: Hierzu gehört beispielsweise das gemeinsame Ziel, bis 2020 mindestens 35% nachhaltige Baumwolle einzusetzen. Dabei müssen 10% der Gesamtmenge Bio-Baumwolle sein. Bis 2025 soll der Gesamtanteil nachhaltiger Baumwolle dann auf insgesamt 70% steigen, der von Biobaumwolle auf 20%.
„Die Mitglieder haben sich auf konkrete Zeit- und Mengenziele geeinigt. Das ist ein weitreichender Schritt für das Textilbündnis und ein großer Hebel für echte Verbesserungen in den Produktionsländern,“ sagt Dr. Jürgen Janssen, Leiter des Bündnissekretariats.

Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen, Politik, Gewerkschaften und Standardorganisationen wollen die Ziele durch die Wahrnehmung ihrer individuellen Verantwortung, durch gemeinsames Engagement in Produktionsländern und gegenseitige Unterstützung umsetzen.

Darüber hinaus hat der Steuerungskreis beschlossen, die internationalen Kooperationen des Textilbündnisses mit strategischen Partnern weiter auszubauen, um eine noch größere Breitenwirkung zu erzielen, die Vorgehensweisen abzustimmen und Anforderungen international anzugleichen.

Zivilgesellschaft veröffentlicht Roadmaps und zeigt Transparenz

Die Verpflichtung zur Erstellung einer Roadmap galt allen Mitgliedern, inklusive den zivilgesellschaftlichen Organisationen des Textilbündnisses. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert das vorgegebene Indikatorenraster für zivilgesellschaftliche Organisationen als nicht zweckmäßig. Eine politische Lobbyorganisation wie der vzbv produziert keine eigenen Textilien und arbeitet nicht im Bereich Chemikalienmanagement. Auch Maßnahmen vor Ort in den textilproduzierenden Ländern wie Indien, Bangladesch und Vietnam gehören nicht zum Arbeitsgebiet des vzbv. Der vzbv hat dennoch eine Roadmap eingereicht, die als plausibel bewertet wurde. Der vzbv wird seine Roadmap Ende Juli 2017 gemeinsam mit weiteren zivilgesellschaftlichen Mitgliedern des Textilbündnisses veröffentlichen und auf der Webseite des Bündnis offenlegen.

„Um spürbare Veränderungen zu erreichen, brauchen wir ein breites Bündnis aus Unternehmen, die Einfluss auf den Markt haben und durch ihr Engagement die Bedingungen in den Produktionsländern verändern können. Nur dann macht ein Textilbündnis Sinn. Viele Mitglieder des Bündnisses zeigen, dass sie Verantwortung übernehmen wollen. Es ist wichtig, dass die Unternehmen auch dabei bleiben und das Bündnis nicht wieder verlassen, wenn es ernst wird“, sagt Kathrin Krause, Nachhaltigkeitsexpertin beim vzbv.

Das Textilbündnis wurde 2014 als Antwort auf Rana Plaza gegründet

Das Bündnis für nachhaltige Textilien ist eine Multi-Akteurs Partnerschaft aus Unternehmen, Verbänden, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Standardorganisationen sowie der Bundesre-gierung. Die Akteure haben sich 2014 zusammengeschlossen, um gemeinsam Verbesserungen entlang der gesamten Textil-Lieferkette durchzusetzen. Hierzu haben sie ambitionierte soziale und ökologische Ziele vereinbart. Mit Hilfe von individuellen Maßnahmen der Mitglieder und gemeinsamen Bündnisinitiativen in den Produktionsländern verfolgen die Akteure diese Ziele in der Praxis.

 

Ungebremster Klimawandel gefährdet mühsam erarbeitete Entwicklungsfortschritte in Asien
MANILA, 14. Juli 2017 (ADB) – ein ungebremster Klimawandel hätte für Länder in Asien und Ozeanien verheerende Folgen und würde sich stark auf ihr zukünftiges Wachstum auswirken. Außerdem würden sich aktuelle Entwicklungserfolge umgekehren und die Lebensqualität abnehmen. Das ergibt ein Bericht, den die asiatische Entwicklungsbank (ADB) und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) erstellt haben.
In einem Basisszenario wird für den asiatischen Kontinent bis zum Ende des Jahrhunderts, ein Temperaturanstieg von 6 °C prognostiziert. Einige Länder der Region könnten dabei noch weitaus heißere klimatische Bedingungen erleben. So wird erwartet, dass die Temperatur in Tadschikistan, Afghanistan, Pakistan und dem Nordwesten Chinas um bis zu 8 °C steigt. Das ergibt der Bericht mit dem Titel A Region at Risk: The Human Dimensions of Climate Change in Asia and the Pacific (Eine Region in Gefahr: die menschliche Dimension des Klimawandels in Asien und Ozeanien).
Ein solcher Temperaturanstieg hätte dramatische Folgen für das Wettersystem, die Landwirtschaft und die Fischerei in der Region, die biologische Vielfalt an Land und im Wasser, die regionale Sicherheit, den Handel, die Stadtentwicklung, Migrationsbewegungen und Gesundheit. Ein solches Szenario stellt für einige Länder in der Region sogar eine existenzielle Bedrohung dar und zerstört jede Hoffnung auf eine nachhaltige und integrative Entwicklung.
„Die globale Klimakrise ist mit Sicherheit die größte Herausforderung, mit der die menschliche Zivilisation im 21. Jahrhundert konfrontiert ist. Und Asien und Ozeanien stehen dabei im Mittelpunkt“, so Bambang Susantono, ADB-Vizepräsident für Wissensmanagement und nachhaltige Entwicklung. „In Asien und Ozeanien leben zwei Drittel der armen Weltbevölkerung. Die Region gilt als besonders anfällig für den Klimawandel und ist in besonderer Weise von einer noch schlimmeren Armut – und noch verheerenderen Naturkatastrophen – bedroht, wenn nicht schnell und konsequent Schutz- und Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden.“
„Die Länder Asiens haben die Zukunft der Erde in der Hand. Wenn Sie sich dazu entschließen, sich vor dem gefährlichen Klimawandel zu schützen, können sie dazu beitragen, den gesamten Planeten zu schützen“, sagt Professor Hans-Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK. „Es handelt sich um eine doppelte Herausforderung. Einerseits müssen die Treibhausgasemissionen in Asien so verringert werden, dass die Weltgemeinschaft die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C begrenzen kann, wie dies 2015 in Paris vereinbart worden ist. Doch schon eine Begrenzung auf 1,5 °C ist eine gigantische Aufgabe. Andererseits müssen die asiatischen Länder Strategien finden, wie sie auch angesichts eines unabwendbaren Klimawandels Wohlstand und Sicherheit im Rahmen einer gesunden globalen Entwicklung gewährleisten können. Gleichzeitig muss man bedenken, dass sich Asien nie dagewesene wirtschaftliche Chancen bieten, wenn sich der Kontinent federführend an der neuen sauberen industriellen Revolution beteiligt. Durch die Erprobung geeigneter Strategien zur Einhegung von Umweltveränderungen kann Asien zu einem entscheidenden Akteur des Multilateralismus im 21. Jahrhundert werden.“
Es wird erwartet, dass Asien und Ozeanien bei steigenden globalen Durchschnittstemperaturen von stärkeren Taifunen und Zyklonen heimgesucht werden wird. In einem Basisszenario wird die jährliche Niederschlagsmenge in den meisten Landflächen der Region um bis zu 50 % zunehmen, wobei Länder wie Pakistan und Afghanistan einen Rückgang der Niederschlagsmenge um 20-50 % erleben könnten.
Die Küstenregionen und Tiefebenen der Region sind verstärkt von Überschwemmungen bedroht. 19 der 25 am stärksten von einem Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter betroffenen Städte befinden sich in der Region. Allein sieben von ihnen auf den Philippinen. Das am stärksten von Küstenüberflutungen betroffene Land der Region wird jedoch Indonesien sein, dort werden bis 2100 jedes Jahr etwa 5,9 Millionen Menschen betroffen sein.
Eine erhöhte Anfälligkeit für Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen wird sich wirtschaftlich stark auf die Region – und die ganze Welt – auswirken. Schäden durch Überschwemmungen werden von jährlich 6 Milliarden Dollar im Jahr 2005 auf 52 Milliarden Dollar im Jahr 2050 steigen. Außerdem befinden sich 13 der 20 Städte mit dem größten Anstieg jährlicher Überflutungsschäden zwischen 2005 und 2050 in Asien und Ozeanien: Guangzhou, Shenzhen, Tianjin, Zhanjiang und Xiamen (China); Bombay, Chennai-Madras, Surat und Kalkutta (Indien); Ho-Chi-Minh-Stadt (Vietnam); Jakarta (Indonesien); Bangkok (Thailand) und Nagoya (Japan).
Der Klimawandel wird auch die Lebensmittelproduktion in der Region erschweren und die Produktionskosten erhöhen. In einigen Ländern Südostasiens könnten die Reiserträge bis zum Jahr 2100 um bis zu 50 % zurückgehen, wenn keinerlei Maßnahmen ergriffen werden. In Usbekistan wird erwartet, dass so gut wie alle Getreidesorten bis zum Jahr 2050 20-50 % ihres Ertrags einbüßen, selbst wenn die Erderwärmung auf 2 °C begrenzt wird (Pariser Klimaschutzabkommen). Die Lebensmittelknappheit wird die Anzahl mangelernährter Kinder in Südostasien um 7 Millionen erhöhen, da die Einfuhrkosten in der Unterregion bis 2050 von 2 Milliarden Dollar auf 15 Milliarden Dollar pro Jahr ansteigen werden.
Meeresökosysteme werden insbesondere im Westpazifik bis zum Jahr 2100 ernsthaft gefährdet sein. Sämtliche Korallenriffe der Unterregion werden aufgrund der Korallenbleiche kollabieren, wenn die Erderwärmung 4 °C erreicht (globales Basisszenario). Selbst ein Temperaturanstieg um 1,5 °C wird dazu führen, dass 89 % aller Korallenriffe von der Korallenbleiche betroffen sind. Dies wird die Riff-Fischerei und den Tourismus in Südostasien stark beeinträchtigen.
Der Klimawandel ist auch eine große Gefahr für die öffentliche Gesundheit in Asien und Ozeanien. Schon jetzt sterben jedes Jahr 3,3 Millionen Menschen wegen der Luftverschmutzung, wobei die VR China, Indien, Pakistan und Bangladesch die Rangliste anführen. Hitzebedingte Todesfälle in der älteren Bevölkerung in der Region dürften bis 2050 aufgrund des Klimawandels um etwa 52.000 Fälle zunehmen, wie Daten der Weltgesundheitsorganisation nahelegen. Todesfälle durch vektorübertragene Krankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber könnten ebenfalls zunehmen.
Eine „Business as usual“-Herangehensweise an den Klimawandel könnte auch funktionierende Ökosysteme stören und eine Massenmigration – vor allem in städtische Ballungsräume – auslösen, die zu einer weiteren Überfüllung der Metropolen und einer Überforderung der sozialen Dienste führen kann.
Vor allem aber könnte ein wärmeres Klima in der Region die Energieversorgung gefährden. Der Klimawandel kann die Energieunsicherheit unter anderem durch die fortgesetzte Abhängigkeit von unnachhaltigen fossilen Brennstoffen, Kapazitätssenkungen von Wärmekraftwerken aufgrund mangelnden Kühlwassers und Ausfällen von Wasserkraftwerken wegen ungewisser Ablaufmengen verschärfen. Die Energieunsicherheit könnte Konflikte erzeugen, da Staaten um begrenzte Energieressourcen konkurrieren.
Was die Bekämpfung der Klimawandelfolgen angeht, so hebt der Bericht hervor, wie wichtig eine Umsetzung der im Pariser Klimaabkommen festgeschriebenen Zusagen ist. Dazu zählen öffentliche und private Investitionen in eine beschleunigte Entkarbonisierung der asiatischen Wirtschaft sowie die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen zum Schutz der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsteile in der Region. Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen sollten dabei zusätzlich zu den anhaltenden Innovationsbemühungen in den Bereichen erneuerbare Energien und Technologie in makroregionale Entwicklungsstrategien und mikroregionale Projektplanungen in sämtlichen Bereichen eingebettet werden. Die Region verfügt laut Bericht sowohl über die Kapazität als auch den notwendigen Einfluss, um eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben, die globalen Emissionen einzudämmen und Anpassungsmaßnahmen umzusetzen.
Die ADB hat im Jahr 2016 eine Rekordsumme von 3,7 Milliarden Dollar zur Klimafinanzierung bewilligt und bereits angekündigt, ihre Investitionen bis 2020 auf 6 Milliarden Dollar zu erhöhen. Die in Manila beheimatete Asiatische Entwicklungsbank setzt sich für die Armutsbekämpfung in Asien und Ozeanien durch integratives Wirtschaftswachstum, umweltfreundliches, nachhaltiges Wachstum und regionale Integration ein. Sie wurde 1966 gegründet und feiert aktuell 50 Jahre Entwicklungspartnerschaft in der Region. Eigentümer sind 67 Mitgliedsländer, von denen 48 in der Region liegen. 2016 belief sich die Unterstützung der ADB auf insgesamt 31,7 Milliarden Dollar, von denen 14 Milliarden Dollar in Kofinanzierungen flossen.
Klicken Sie hier, um die Pressekonferenz im Livestream zu verfolgen. Beteiligen Sie sich in den sozialen Medien unter dem # AsiaHeatsUp an der Diskussion.
Mythos Überbevölkerung – Hans Rosling mit Fakten zur Welt von morgen

In memoriam

Sieben Milliarden Menschen gibt es auf der Welt – Tendenz steigend. Vielen macht diese Entwicklung Angst. In der Dokumentation „Mythos Überbevölkerung? Verblüffende Fakten zur Welt von morgen“ vertritt der schwedische Wissenschaftler Hans Rosling eine ganz andere Sicht der Dinge. Die Kernbotschaft: Die Welt von morgen ist ein viel besserer Ort, als wir uns vorstellen können.

Die Daten gibt es verständlich bei der Gapminder Stiftung: https://www.gapminder.org/data/

Ausbeutung von Textilarbeiterinnen in Bangladesch ist weiter in Mode

Hamburg, 05.11.2014 | Das Eine Welt Netzwerk Hamburg sprach mit der Aktivistin und Forscherin Dr. Samina Luthfa über die aktuelle Situation der Textilarbeiterinnen und deren Zukunftsperspektive in Bangladesch. Die Lage der Textilarbeiterinnen in Bangladesch ist immer noch prekär. Internationaler Druck hilft und muss von NRO und Gewerkschaften verstetigt werden. Problem ist das Versagen des Staates und des Arbeitgeberverbandes.

Die Soziologin der Universität Dhaka ist auf Einladung des Entwicklungsforums Bangladesch e.V. http://www.entwicklungsforum-bangladesh.org in Deutschland, um die Arbeitsbedingungen der globalisierten Textilindustrie bekannt zu machen und um Verbündete im Kampf für verbindliche internationale Arbeits- und Sozialstandards zu gewinnen.


Wo ist der Staat, wenn Hilfe gebraucht wird? Fabrikeinsturz in Sabhar am 24. April 2013.
Foto: rijans
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EWNW: Wir erinnern uns an die schockierenden Bilder im April 2013 vom Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Sabhar, einem Vorort von Dhaka. Funde belegen, dass dort Hersteller produzieren ließen, die auch in deutschen Läden Textilien anbieten. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der mehr als 1100 Getöteten und den 2500 Verletzten. Wie geht es diesen Menschen jetzt?

Samina Luthfa: Die Rehabilitierung der Verletzten war sehr schwierig gewesen. Es gibt nicht einmal eine vollständige Liste der Opfer. Der Staat zeigt überhaupt keine Verantwortung. Bereits am Tag der Katastrophe waren die staatlichen Stellen überfordert. Außer der örtlichen Feuerwehr und der Zivilverteidigung kamen keine geschulten Einsatzkräfte an die Unglücksstelle. Das Militär war da. Aber sie hatten keine geeigneten Geräte zur Bergung der Opfer. Tausende Menschen kamen spontan zur Hilfe, bargen Opfer, versorgten die Verletzten und räumten Trümmer. Niemand war dafür qualifiziert.

Hunderte Näherinnen verloren Gliedmaßen. Viele werden nie mehr arbeiten können. Überlebende und auch Helfende sind traumatisiert, bräuchten psychologische Behandlung, für die sie aber kein Geld haben. Sie gehen nicht zum Arzt, sondern kaufen Antidepressiva auf dem Markt. Vorgestern starb eine Arbeiterin an den Folgen eines nicht behandelten Leberrisses. Viele erhielten kein Geld, da sie vom Arzt nicht als verletzt deklariert wurden.

Die Opfer und Hinterbliebenen sollen angemessene Entschädigungszahlungen durch das Rana Plaza-Arrangement erhalten. Kommt das wirklich an?

Die vielen Hilfsgelder kommen in meisten Fällen nicht an. Zahlreiche meist neu gegründete NGOs haben Spendenmittel bekommen, aus dem Arrangement und viel auch von der Diaspora, aber das ist für die Opfer nicht transparent. Wir fragen uns, wo das Geld ist.

Am Tag nach dem Einsturz war ich mit meinem Forschungsteam auf dem ebenfalls einsturzgefährdeten Nebengebäude. Wir sahen, wie dicht die Stockwerke nebenan zusammengefaltet waren. Die Erinnerung an den Leichengestank kommt mir immer wieder hoch. Wir fanden herübergewehte Personalakten. Dort war die Anwesenheit der Näherinnen genau verzeichnet, sogar mit Datum der letzten Menstruation. Offenbar mussten alle Näherinnen bei Eintritt gleich ihre Kündigung unterschreiben, wobei der Arbeitgeber hinterher das Datum einsetzen kann. Wir haben die Unterlagen gesichert und den Behörden übergeben. Einige Unternehmen behaupten immer noch, keine Personallisten gehabt zu haben.

Ich traf einen 22-jährigen Freiwilligen, der die Identifizierung der Toten allein organsierte. Er ließ die Leichen im Schulhof nebenan stapeln und führte Angehörige hindurch. Er hat das großartig organisiert, aber niemand hilft ihm, diese traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten. Manche Angehörigen haben ihre Toten mitgenommen, viele Leichen wurden aber auch anonym bestattet. Ohne Totenschein gibt es aber keine Entschädigungszahlungen. Die für DNA-Analysen zuständige Stelle kommt mit der Identifizierung nicht hinterher. Noch immer werden ca. 112 Personen vermisst. Es wurden ca.300 identifizierte Leichen bestattet. Die Regierung zahlt jetzt für DNA-Analysen der Überreste. Sie leistet aber nicht annähernd, was ein Staat tun muss.

Wie hat sich die Lage in den Textilfabriken in Bangladesch seit Rana Plaza verbessert?

Die neuen internationalen Vereinbarungen sind der richtige Weg. Im weltweiten Textilmarkt wird die soziale Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette im Rahmen von von Corporate Social Responsibility (CSR) stärker in den Vordergrund gestellt. Die Industrie kann nur wachsen, wenn sie die Standards erfüllt. Die kleinen informellen Nähereien mit ihren prekären Zuständen werden vom Markt gedrängt werden.

Der Arbeitgeberverband Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association (BGMEA) wird seiner Verantwortung auch nicht gerecht. Der Verband bekämpft den Bangladesch Accord als imperialistische Einmischung in nationale Angelegenheiten. Die Arbeitgeber haben nicht verstanden, dass Sozialstandards zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen und ihrer Branche nützen würden.

Als die lokale Polizei und verantwortlichen Ingenieure am Tag vor der Katastrophe das Gebäude wegen der Risse in den Betonwänden sperren wollte, zwangen die Unternehmen die Angestellten zur Arbeit hinein. Begründung: Wer auch nur einen Tag krank ist, bekommt den Monatslohn nicht rechtzeitig. Sie haben keine Ersparnisse und andere soziale Absicherung, damit sie ihre laufenden Kosten abdecken können.

Die Näherinnen sind auf pünktliche Lohnzahlungen angewiesen, die sie bei einem Fehltag verloren hätten. Das Gebäude gehörte einem Politiker. Die Kontrollbehörden werden bestochen. Der Staat setzt sich bei uns nicht gegen die Industrie durch. Druck aus dem Ausland ist nötig.

Nach Rana Plaza wurden in Bangladesch 18 gefährdete Fabriken geschlossen. Beschäftigte der Textilindustrie dürfen sollen sich zukünftig in unabhängigen Gewerkschaften zusammenschließen und Lohnverhandlungen führen. Aber die Näherinnen sind unerfahren und scheu. Die Partizipatorische Action Komitee (Ersatzgewerkschaften) sind oft arbeitgeberfreundlich. Aber jetzt beim Streik bei der Tuba Gruppe im August wurde eine gelbe Gewerkschaft (nicht von der Textilfabrik) durch eine aktive neue Bewegung ersetzt, die mit einem Hungerstreik Erfolg hatte.

Außerdem wurde nach Rana Plaza beschlossen, den Mindestlohn zu erhöhen. Nun prüft eine Regierungskommission die geforderte Erhöhung auf 8.000 Taka (80 Euro). Die meisten erhalten den Mindestlohn, der 2010 nach monatelangen Protesten auf 3.000 Taka (knapp 30 Euro) erhöht worden ist. In einer wissenschaftlichen Studie der Universität Dhaka haben wir aber festgestellt, dass 39% der Befragten unter Mindestlohn bezahlt werden. Die Arbeitgeber haben zur untersten Lohngruppe der "Helper" jetzt noch den "Apprentice Helper" erfunden, für die bis zu sechs Monate lang kein gesetzlicher Lohn gezahlt werden muss.

Wir haben insgesamt 1013 Beschäftigte in allen 12 Branchen der BGMEA befragt. Etwa 60% gaben an, sich jetzt in den Fabriken sicher zu fühlen. Der Brandschutz wurde etwas verbessert. Viele Feuertreppen sind in schlechtem Zustand. Immer noch münden viele Fluchtwege in Lagerräumen, die meist zuerst Feuer fangen. Aber die vorher verbreitete Praxis, die Tore der Fabriken während der Schicht von außen zu verriegeln, wurde in Bangladesch abgeschafft. Bei den großen Fabriken spürt man also die Verbesserungen. Problem sind die kleinen teils informellen Saisonbetriebe

Die befragten Näherinnen klagten vor allem über Kopfschmerzen. Sie entstehen durch den Lärm, aber auch durch Schlafmangel. Das Arbeitspensum und die Körerhaltung dabei sind belastend. Die Masse der Näherinnen kommt sehr jung vom Land in die Industriebezirke. Neben den langen Schichten kostet auch der Feierabend dort Kraft. In den Unterkünften müssen sich mehr als 20 Frauen eine Toilette und eine Küche teilen. Einige Näherinnen könnten Vorarbeiterinnen werden, mehr Aufstiegschancen gibt es aber in dieser Industrie nicht, es gibt keine Fortbildung. Kaum jemand unter den Befragten war länger als sieben Jahre im Job. Ab Mitte 30 hält man das körperlich einfach nicht durch, auch wegen der Augenleiden.

Sie bilden in Dhaka Studierende in Soziologie aus. Was lernen sie?

Unsere Universität ist total überfüllt. Zu allen Veranstaltungen kommen mehr als 200 Studierende. Mit ihnen können wir natürlich solche große Befragungen umsetzen. Nach dem Einsturz der Rana Plaza sind viele Studierende mit mir zur Hilfe geeilt. Sie organisierten die Betreuung der Angehörigen, die oft aus ländlichen Gegenden anreisen mussten und logistische Hilfe brauchten, um zum Beispiel eine Duschgelegenheit zu finden. Manche helfen jetzt bei Behördengängen in Dhaka. Das war für die Studierenden eine praktische soziale Aufgabe. Es wurde in ein Buch mit Opferberichten erstellt. Es ist in bengalischer Sprache und wir suchen Mittel, es auf Englisch zu übersetzen.

Was erhoffen Sie sich von den NRO in Deutschland?

Erstens, dass wir Ideen über Gewerkschaftsbildung in Bangladesch austauschen.

Zweitens dass internationale NGOs ihre Arbeit in den verschiedenen Bereichen in Bangladesch mit den NGOs im Land koordinieren.

Drittens bekannt zu machen, dass die Regierung von Bangladesch ihre Aufgaben nicht erfüllt.

Das Interview führten Karsten Weitzenegger und Yannik Pein.

Hintergrund: Internationale Abkommen nach Rana Plaza

Das Rana Plaza-Arrangement

Das «Arrangement» ist ein Übereinkommen, welches die Entschädigung der Verletzten und der Opferfamilien des Rana Plaza Fabrikeinsturzes regelt. Das Übereinkommen wurde von der Clean Clothes Campaign http://www.cleanclothes.org mitinitiiert und wird, wie das Sicherheitsabkommen, von der ILO begleitet. Die bangladeschische Regierung, lokale sowie internationale Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen sowie die Textilfirmen haben das Arrangement unterzeichnet und sich damit verpflichtet, einen Beitrag an die Kompensation der Betroffenen zu leisten. Im Juni 2014 forderten Deutschland und sechs andere europäische Staaten alle Firmen mit Geschäftsbeziehungen zu Rana Plaza sowie die bangladeschische Regierung auf, einen substantiellen Beitrag an den Kompensationsfonds zu leisten. www.ranaplaza-arrangement.org

Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit in Bangladesch

Das Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit in Bangladesch von 2013 (http://www.unibangladeshaccord.org/?lang=de, http://bangladeshaccord.org) ist ein umfassendes und unabhängiges Abkommen, mit dessen Hilfe alle Bekleidungsfabriken in Bangladesch zu sicheren Arbeitsplätzen gemacht werden sollen. Das Abkommen wurde von bangladeschischen und internationalen Gewerkschaften zusammen mit anderen Arbeitnehmergruppierungen konzipiert. Es ist das einzige Abkommen, das von allen wesentlichen arbeitsrechtlichen Interessenvertretungen unterstützt und von über 160 internationalen Markenherstellern und Einzelhandelsunternehmen unterzeichnet wurde. Sie verpflichten sich über fünf Jahre zu Investitionen in sicherere Fabriken. Unter den deutschen Unterzeichnen sind Adidas, Aldi, Esprit, Kik, Lidl, Metro, Otto, Puma, Rewe, S.Oliver, Takko, Tchibo (http://bangladeshaccord.org/signatories/). Wer genau wen beliefert, bleibt aber unter Verschluss. Die Kampagne für Saubere Kleidung, Oxfam und das Südwind-Institut haben die Standards wiederholt als zu lax kritisiert.

Bündnis für Nachhaltige Textilien

Das Bündnis für Nachhaltige Textilien ist Zusammenschluss von bisher rund 30 deutschen Unternehmen und Organisationen soll die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Textilindustrie in Niedriglohnländern zu verbessern. Ziel sind neue ökologische Standards und ein besseres Leben für die Arbeiterinnen und Arbeiter der globalen Bekleidungsindustrie. Die Initiative wurde am 16. Oktober 2014 unter Federführung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegründet. http://www.bmz.de/textilbündnis

Mehr dazu: Kampagne für Saubere Kleidung http://www.saubere-kleidung.de

Immer besser: Neue OECD-Studie erfasst die Lebensqualität seit 1820

Eine Studie der OECD bietet zum ersten Mal systematische Erkenntnisse über langfristige Trends in verschiedenen Lebensbereichen, etwa in Bezug auf Gesundheit, Bildung, Umwelt oder persönliche Sicherheit.

(Berlin/Paris, 2. Oktober 2014) Die Lebensqualität der Menschen hat sich seit dem frühen 20. Jahrhundert in großen Teilen der Welt verbessert. Zu diesem Schluss kommt eine gemeinsame Studie der OECD und des OECD Development Centres unter Beteiligung der Wirtschaftshistoriker des holländischen Clio Infra-Projektes.“How was Life? Global well-being since 1820” belegt, dass sich gerade in jüngerer Zeit die Lebensbedingungen in den Ländern rund um den Globus stärker angeglichen haben als das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Mit einer Ausnahme, den Ländern südlich der Sahara.

Die Studie bietet zum ersten Mal systematische Erkenntnisse über langfristige Trends in Gesundheit, Bildung, sozialer Gleichheit, Umwelt oder persönlicher Sicherheit. Damit leistet sie einen Beitrag zu der Frage inwieweit ökonomischen Faktoren unsere Lebensqualität beeinflussen und ob unsere politischen Vertreter sich in ihrer Arbeit auf Themen konzentrieren, die für das Wohl der Menschen wichtig sind.

Die historischen Daten erstrecken sich von inflationsbereinigten Löhnen über das BIP, die Lebenserwartung, Bildungsabschlüsse, Größe (als Maß für physisches Wohlbefinden und Ernährung), Sicherheit, politische Institutionen, die Umwelt bis hin zur Ungleichheit in Bezug auf Einkommen und zwischen den Geschlechtern. Die Themen orientieren sich am How’s Life?-Bericht der OECD, der regelmäßig die Lebensqualität und den Fortschritt in modernen Gesellschaften misst.

Ein kombinierter Indikator aller erforschten Dimensionen zeigt, dass verbesserte Einkommen und höhere Wirtschaftskraft nicht notwendig auch zu Fortschritten in anderen Lebensbereichen führen. Das BIP allein spiegelt also die Lebensqualität nur ungenügend.

Laut der Studie sind die Löhne einfacher Arbeiter seit 1820 inflationsbereinigt um das Achtfache gestiegen, während das globale BIP sogar zehn Mal so hoch kletterte. Der Anstieg fiel allerdings in Westeuropa, Nordamerika, Australien, Nahost und Nordafrika stärker aus als in anderen Regionen.

Die Ungleichheit der Einkommen hat sich zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und 1970 verringert und ist danach wieder erheblich gewachsen. In Osteuropa kam es nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zu einem rasanten Anstieg der Ungleichheit. Auch in China ist die Ungleichheit seit den 90er Jahren auf dem Vormarsch. Insgesamt hat die Globalisierung seit den 1980er Jahren dazu geführt, dass die soziale Ungleichheit innerhalb der Staaten wuchs, während sie zwischen den Ländern zurückging.

In einigen Bereichen, wie zum Beispiel bei Bildung und Gesundheit, ist die statistische Korrelation mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zunächst relativ stark. 1820 konnte weltweit nur etwa jeder fünfte Mensch Lesen und Schreiben. Nach 1945 verbesserte sich die Alphabetisierung erheblich, im Jahr 2000 waren bereits acht von zehn Menschen in der Lage, zu lesen und zu schreiben. Ähnlich dramatisch war der Fortschritt bei der Lebenserwartung, die von weniger als 30 Jahren 1880 auf beinahe 70 Jahre (2000) stieg. Heute sind Dank einer verbesserten Gesundheitsversorgung selbst dort noch Fortschritte in der Lebenserwartung zu erkennen, wo das BIP stagniert.

Kaum ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen dem Reichtum eines Landes und der persönlichen Sicherheit seiner Bewohner: So waren zum Beispiel die Mordraten in den USA über 200 Jahre relativ hoch, während sie in vielen Teilen Asiens niedrig sind.

Weitere Informationen zum Bericht, einschließlich einer Online-Leseversion finden Sie unter www.oecd.org/berlin/publikationen/how-was-life.htm. Quelle: OECD.

Ein Rechtsstaat besteht neben Gesetzen auch aus einer gewachsenen Rechtskultur – Spezial: Afghanistan

Ein Rechtsstaat besteht neben Gesetzen auch aus einer gewachsenen Rechtskultur – Spezial: Afghanistan.

Islamisches Recht, traditionelles Gewohnheitsrecht oder modernes Staatsrecht: Die islamische Republik Afghanistan ist durch ihren Rechtspluralismus geprägt. Seit 2003 unterstützt die GTZ die afghanische Regierung beim Aufbau des Justizsektors in den Nordprovinzen. Ein Interview mit dem Rechtsexperten Philipp Jahn (GTZ) über Aufgaben, Probleme und Chancen bei der Etablierung eines Rechtssystems.
Welthungerhilfe zur Afghanistan-Konferenz: “Rezept Geld“ reicht nicht

Nach Ansicht der Welthungerhilfe sind Finanzzusagen nicht entscheidend für den Erfolg der internationalen Afghanistankonferenz am 28. Januar in London. “Das ‚Rezept Geld’ allein reicht nicht aus“, sagt Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Welthungerhilfe. “In Afghanistan ist vielmehr ein Paradigmenwechsel beim internationalen Engagement nötig. Es kommt nicht auf das ‚Wieviel’ an, sondern auf das ‚Wie’, vor allem beim zivilen Aufbau.“

Die die Welthungerhilfe in ihrem aktuellen Brennpunkt darlegt, ist die internationale Gemeinschaft in Afghanistan in eine Falle getappt. Unter dem Druck, möglichst viele Mittel schnell umzusetzen, hat sie sich die Unterstützung zweifelhafter lokaler Machthaber erkauft. Damit hat sie die Glaubwürdigkeit des Westens in den Augen der afghanischen Bevölkerung schwer beschädigt.

Die Welthungerhilfe fordert, die Entwicklungsmaßnahmen sorgfältig zu planen und zu koordinieren und die afghanische Bevölkerung stärker mit zu beteiligen. “Die Afghanen müssen bei der Planung über die Zukunft ihres Landes stärker einbezogen werden“, sagt Jamann. “Bei der Afghanistankonferenz in London und allen folgenden Prozessen sollen Vertreter der Zivilgesellschaft nicht wie bisher auf Nebenschauplätze verdrängt werden, sondern mit am Verhandlungstisch sitzen. Es muss sichergestellt werden, dass ihre Anliegen von ranghohen Regierungsvertretern angehört werden.“ Den Brennpunkt Nr. 12 / Januar 2010 finden Sie unter http://www.welthungerhilfe.de/brennpunkt-afghanistan.html